Aktionsplan für Kompetenzanerkennung – In Oslo mit und von den Besten lernen

Vorausdenken statt zurückbleiben

Die Anerkennung von Kompetenzen hat Vorteile für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Dem Einzelnen macht sie die eigenen Stärken bewusst (Empowerment) und führt wenn die Kompetenzen formal zertifiziert werden mitunter zu weiterem Lernen und/oder besserer Arbeit (Employability). Der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt erschließen sich durch die Anerkennung vorher unsichtbarer individueller Kompetenzen Produktivitätspotentiale, was zu einem insgesamt höheren Kompetenzniveau der Gesellschaft, zu mehr Mobilität, Integration und Wachstum beiträgt. Deshalb hat der Europarat im Dezember 2012 allen Mitgliedstaaten empfohlen bis 2018 ein System der formalen Anerkennung informellen und non-formalen Lernens zu etablieren. Vor diesem Hintergrund organisiert der europäische Dachverband der Weiterbildung (EAEA) das EU-finanzierte Projekt Action Plan for Validation, welches Politikern und Weiterbildungsakteuren Handlungsanleitungen zur Verfügung stellen will, um solche Systeme national umzusetzen.

Die skandinavischen Länder, die mich Anfang Februar zusammen mit 44 anderen Experten aus 16 Ländern zu einem Workshop nach Oslo einluden, sind hier europäische Vorreiter. Das zeigte unsere 2015 veröffentlichte Studie zur Kompetenzanerkennung in Europa, welche ich auf dem Expertenworkshop vorstellte. Und so verwundert es nicht, dass das nordische Netzwerk der Weiterbildung gerade für das Peer-Learning und Benchmarking ein Bewertungsraster für nationale Kompetenzanerkennungssysteme entwickelt hat, die „Roadmap 2018“. Anhand von 80 Indikatoren verteilt auf 7 Themen können politische Akteure das Anerkennungssystem ihres jeweiligen Landes analysieren. Für Fälle wie Deutschland, die bisher über kein integriertes Anerkennungssystem verfügen stellen diese Indikatoren hilfreiche Wegweiser für den Aufbau eines solchen Systems dar. Die Themen reichen von der Rolle des Staates (rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzierung, Koordinierung des Anerkennungsystems über Politikbereiche hinweg, Regelung der Akreditierung von Koordinatoren, Prüfern und Beratern) über die Einbindung relevanter Stakeholder aus Bildung und Wirtschaft bis hin zur konkreten Organisation des Prozesses vor Ort. Ein Blick in die Roadmap lohnt sich also!

Die Skandinavier machen es vor - Roadmap zur Kompetenzanerkennung
Die Skandinavier machen es vor – Roadmap zur Kompetenzanerkennung (c) Nordiskt nätverk för vuxnas lärande

 

Kompetenzanerkennung auf Norwegisch

Das derzeitige norwegische Anerkennungsverfahren konnten wir vor Beginn des eigentlichen Workshops hautnah beim Besuch des Oslo Adult Education Center erfahren. Hier schlüpften wir in die Rolle eines Validierungskandidaten der seine Englischkenntnisse anerkennen lässt, um zwei Jahre in diesem (Berufs-)Schulfach zu sparen. Der zentrale und erste Anlaufpunkt sowie Begleiter des Kandidaten sind die Bildungsberater des Centers. Diese erfassen die Interessen der Kandidaten und stellen mit dem Kandidaten ein Portfolio aus relevanten Vorerfahrungen zusammen. Dabei prüfen sie in welchen Kompetenzbereichen aufgrund von relevanten Vorerfahrungen eventuell das Potential für eine Anerkennung besteht. Die Berater leiten dann das Portfolio des Kandidaten an die Prüfer für das jeweilige Fach/den Kompetenzbereich weiter. Diese Prüfer sind Experten in ihrem Feld, oftmals (Berufsschul-)Lehrer oder Ausbilder. Das Prüfverfahren selbst besteht aus einem Expertendialog (2-5 h) und einer praktischen Prüfung (5-15 h). Für jeden Kompetenzbereich gibt es einen Anforderungskatalog, dessen Erfüllung ressourcenorientiert geprüft wird. Der Prüfer versucht also explizit die vorhandenen Kompetenzen aufzudecken und beurteilt am Ende ob sie in Summe für ein Bestehen ausreichen. Allein in Oslo durchlaufen es 300 Kandidaten pro Jahr in über 700 Kompetenzbereichen.

Kompetenzen, die zu einem Abschluss noch fehlen, können beim Adult Education Center direkt erworben werden. Bei Menschen ohne formalen Berufsabschluss oder Schulabschluss der Sekundarstufe II trägt die Kosten für Anerkennung und Nachqualifizierung entweder die Kommune oder die Agentur für Arbeit. Die verliehenen Kompetenzzertifikate gehen nach bestandener Abschlussprüfung in die Schul- oder Berufsabschlusszeugnisse ein, mit Noten für in Weiterbildung nachgeholte Fächer und dem Vermerk „anerkannt“ für die direkt anerkannten Fächer. Eine Präsentation (auf Englisch) zum Verfahren gibt es hier. Zentral zuständig für das Verfahren ist die Norwegian Agency for Lifelong Learning (VOX), auf der es auch zentral Informationen für Bewerber und Unternehmen gibt, wie zum Beispiel folgendes unterhaltsame 3-minütige Werbevideo.

Der eigentliche Workshop umfasste neben Inputs von der Europäischen Kommission und Präsentationen verschiedener Praxisprojekte auch einen Vortrag über den amerikanischen College Credit Recommendation Service des American Council on Education ACE-Credit, welcher nicht Individuen sondern Aus- und Weiterbildungen zertifiziert, so dass deren Teilnehmer ohne zusätzliche Kompetenztests ihre Hochschulstudien verkürzen können. Das System hat seit 1974 inzwischen mehr als 35.000 Programme auf diese Weise evaluiert.

Am zweiten Tag folgte die Arbeitsphase des „Work-“shops mit der Erstellung von Ableitungen aus den Projekten und den Ergebnissen einer europaweiten Umfrage. Schließlich wurden Aufgaben für verschiedene gesellschaftliche Akteure zur Entwicklung eines Anerkennungssystems definiert. Die Ergebnisse des Workshops und der finale Aktionsplan werden im Frühsommer auf einer Policy Debate in Brüssel vorgestellt und anschließend verbreitet.

Over and Out.



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