Ausbildung in Deutschland: Wer außen vor bleibt, hat schlechte Karten 3/3

Neue Studie des IPPR, London (Beitrag 3 von 3)

Alle Welt bejubelt das duale System. Nachvollziehbar, denn die positiven Effekte in punkto Jugendbeschäftigung und Fachkräftesicherung liegen im internationalen Vergleich auf der Hand. Dennoch hat auch das deutsche System seine Tücken, denn noch immer profitieren zu wenige Jugendliche von diesen Vorteilen. Wer ohne Ausbildung bleibt, hat es schwer, in Beschäftigung zu kommen. Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland relativ betrachtet zwar ein kleineres Problem als in anderen Ländern, dabei geht es aber immerhin um rund 370.000 junge Menschen, von denen fast ein Viertel langzeitarbeitslos ist. Mit 23,3 Prozent liegt die Langzeitarbeitslosenquote von Jugendlichen (im Alter von 15 bis 24 Jahren) in einem jüngst veröffentlichten Vergleich sechs europäischer Länder im Mittelfeld.

Schweden mit 7,1 Prozent und die Niederlande mit 13,8 Prozent lassen einen deutlich geringeren Anteil junger Menschen längere Zeit ohne Perspektive. Das Fehlen eines deutschen Passes erhöht das Arbeitslosenrisiko von jungen Menschen außerdem deutlich. Jugendliche ohne deutsche Staatsangehörigkeit stehen mit 14,4 Prozent fast doppelt so häufig ohne Arbeit da wie ihre Altersgenossen mit deutschem Pass (7,5 Prozent). In den anderen untersuchten Ländern macht die inländische Staatsangehörigkeit nur in den Niederlanden einen ähnlich großen Unterschied aus. Dies ist ein wichtiges Ergebnis einer aktuellen Studie zu den Bestimmungsgründen von Jugendarbeitslosigkeit in Europa.

Die Misere von Ausbildungslosigkeit in Deutschland zeigt sich auch bei einer anderen Betrachtung: Noch immer befinden sich in Deutschland über eine Viertelmillion junger Menschen in Maßnahmen des Übergangssystems. Mindestens die Hälfte von ihnen könnte Schätzungen zufolge direkt eine Ausbildung aufnehmen, wenn entsprechende Möglichkeiten vorhanden wären – durch das Stigma vermeintlich mangelnder Ausbildungsreife bleibt ihnen jedoch der Zugang zu Ausbildung verwehrt. Die Paradoxie: Gleichzeitig klagen Unternehmen über tausende unbesetzte Lehrstellen.

Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Nicht jeder junge Mensch ist in der Lage, die immer anspruchsvoller werdenden Ausbildungsgänge in der traditionellen drei- bis dreieinhalbjährigen Form zu absolvieren. Was wir brauchen, ist daher eine umfassende Flexibilisierung der beruflichen Bildung, die gestufte Ausbildungen ebenso ermöglicht wie die zeitliche Streckung von Ausbildungsgängen. Eine solche Flexibilisierung würde vielen Jugendlichen im Übergangssystem den Weg in eine qualifizierte berufliche Zukunft eröffnen. Wir sollten uns zudem endgültig davon verabschieden, Jugendliche anhand des subjektiven Begriffs (vermeintlich) mangelnder Ausbildungsreife auszusortieren und stattdessen jedem eine Chance geben – seinen Möglichkeiten entsprechend. Damit wäre sowohl den Jugendlichen geholfen als auch den nach Fachkräften suchenden Unternehmen.

Die europäische Vergleichsstudie des britischen Institute for Public Policy Research (IPPR) in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und dem schwedischen Gewerkschaftsbund Swedish Confederation of Professional Employees (TCO) basiert auf Daten des Europäischen Statistikamtes EUROSTAT und der europäischen Arbeitskräfteerhebung (European Labour Force Survey). Sie untersucht auf empirischer Basis Ausprägungen und Bestimmungsfaktoren von Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Spanien. In einem einleitenden Artikel beleuchten Aline Hohbein und Lars Thies von der Bertelsmann Stiftung die Ausbildungssituation in Deutschland vor dem Hintergrund der internationalen Analyse.

IPPR-Studie: Zukunft unsicher?



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