Berufliche Ausbildung im Zeitalter der Digitalisierung

Wenn am 1. August das Ausbildungsjahr beginnt, bleiben viele Stellen unbesetzt. Die Attraktivität und Qualität der Ausbildung könnte durch digitale Lernmedien steigen. Denn sie verändern das Lernen wie kaum eine gesellschaftliche Entwicklung zuvor. Lernen findet zunehmend virtuell statt. Oft scheitert es jedoch an unzureichendem WLAN und an didaktischen Konzepten.

Berufsschule und Ausbildung hinken beim Thema Digitalisierung hinterher. Zwar hat das Youtube-Video die DVD abgelöst, zwar werden Unterrichtsmaterialien auch im PDF-Format statt als Fotokopie zur Verfügung gestellt. Doch viele Rektoren der Berufsschulen und Ausbildungsleiter in den Betrieben erkennen im Einsatz digitaler Lernhilfen weniger eine strategische Herausforderung als vielmehr einen Imagefaktor.

Verhaltene Modernisierung

Die 1,34 Millionen Auszubildenden in Deutschland stehen der digitalen Welt jedoch sehr viel offener gegenüber als ihre Lehrer und Ausbilder. Berufsschüler setzen digitale Medien – Wikis, Video-Angebote, Chat-Dienste oder soziale Netzwerke – beim Lernen zu Hause wesentlich häufiger ein als im Unterricht oder im Betrieb. In Berufsschule und Betrieb hingegen werden lediglich Wikipedia und andere Wikis von einem nennenswerten Teil der Schüler angewendet. Einzig digitale Präsentationstools kommen im Unterricht häufiger als zu Hause zum Einsatz.

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Viele Auszubildende wünschen sich von ihrer Berufsschule einen stärkeren Einsatz digitaler Medien. 93 Prozent der Berufsschüler sprechen sich für einen sinnvollen Mix aus digitalen und analogen Angeboten aus. 85 Prozent sagen, Lehrer sollten „häufiger etwas Neues mit digitalen Medien ausprobieren“.

Teilhabechancen für benachteiligte Gruppen bleiben noch ungenutzt

So bleiben Chancen gerade für benachteiligte Gruppen ungenutzt. 34 Prozent der Azubis mit Hauptschulabschluss geben an, dass digitales Lernen sie motiviert. Besonders beliebt bei ihnen: die eigenständige Gestaltung von Inhalten mit digitalen Mitteln (29 Prozent). Unter den Azubis mit Abitur sind beide Werte nur halb so hoch. Bislang verpassen Berufsschulen und Betriebe diese Gelegenheit für mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit.

Dr. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, ist der Meinung „Digitales Lernen ist weit mehr als ein Imagefaktor. Berufsschulen und Betriebe brauchen Strategien fürs digitale Zeitalter. Nur so können sie das Potenzial neuer Technologien für chancengerechte Bildung nutzen.“

Technische Infrastruktur: WLAN noch immer unzureichend

Ein weiteres Problem ist die häufig mangelnde Infrastruktur an den Berufsschulen. An manchen Berufsschulen fehlt WLAN heute sogar noch ganz. Dazu noch einmal Jörg Dräger: „Digitales Lernen braucht gute Infrastruktur und Qualifizierung. Ohne zuverlässiges WLAN kann pädagogische Innovation nicht funktionieren. Ohne Fortbildungen für Berufsschullehrer und Ausbilder bleibt zu viel Potential der Digitalisierung ungenutzt.“

Eine umfassende und repräsentative empirische Datenbasis zum Stand des digitalisierten Lernens in den verschiedenen Bildungssektoren in Deutschland – Schule, Ausbildung, Hochschule und Weiterbildung finden Sie in dem „Monitor Digitale Bildung“ .

Der Monitor beschäftigt sich mit den Kernfragen der beruflichen Ausbildung:

  • Welche Impulse können digitale Technologien zur Verbesserung des Lernens und für neue didaktische Konzepte in Schule, Ausbildung, Studium und Weiterbildung geben?
  • Wie kann digitales Lernen benachteiligte Lerner fördern und den Zugang zu den einzelnen Bildungssektoren insgesamt erhöhen?
  • Wie können Lehrkräfte sinnvoll auf den Einsatz – und ggf. die Erstellung – digitaler Bildungsmedien vorbereitet und dabei unterstützt werden?

Hier muss ein Umdenken stattfinden. Denn alte didaktische Ansätze zu digitalisieren reicht nicht aus.

Weitere interessante Artikel zu diesem Thema sind auch auf dem Blog Digitalisierung der Bildung zu finden.



Kommentare

  1. / von Nordisch

    in Dänemark kann man Sozialarbeiter und Krankenschwester studieren online OHNE das man wie in DE erst jahrelang einschlägig dort arbeiten muss im Vorwege! Die Praxisphasen vermittelt die Hochschule… auch in anderen ländern werden Fernstudiengänge viel stärker geöffnet und ebenso Fortbildungen und anderes…

    in DE kommt man in viele Fernstudiengänge wieder nicht rein, weil man ja erst jahrelang „einschlägig “ dort arbeiten muss, das ist eben die Krux, wenn man immer in den Raum stellt, das etwas „beruflich“ sein muss, wird in DE oft verwendet, um etwas unflexibel zu machen und Zugang eiinzuschränken.

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