Berufsberatung mit Leidenschaft

Kürzlich war ich eingeladen, auf einer Veranstaltung des European Network of Education Councils (EUNEC) einen Vortrag über das duale Ausbildungssystem zu halten. Das Thema der zweitägigen Veranstaltung war der Übergang von der Schule in den Beruf. Die anderen Vorträge waren alle interessant, aber der von Marcela Claudia Călineci, einer Berufsberaterin aus Rumänien, hat mich beeindruckt. Mit Leidenschaft berichtete sie über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen.

Im Grunde weiß man ja, dass Berufsorientierung oder Berufsberatung von Jugendlichen wichtig ist. In den Projekten „Übergänge mit System“ und „Chance Ausbildung“ fordern nicht zuletzt wir von der Bertelsmann Stiftung Berufsorientierung ab der 7. Klasse für alle Schüler und geben einen Leitfaden zu Berufsorientierung heraus. Der Vortrag von Frau Călineci hat mir aber noch mal in Erinnerung gerufen, welche persönliche Bedeutung Berufsberatung für Jugendliche haben kann. Wie so häufig kommt es dabei auf die Menschen an. Denn in vielen Fällen muss die Beratung viel mehr leisten, als Jugendliche über verschiedene Berufe und Karrierewege zu informieren.

Meine eigene Berufsorientierung in der Schule sah so aus, dass wir einmal mit der Klasse in das Berufsinformationszentrum des Arbeitsamtes gefahren sind. Dort konnten wir uns an Computer setzen und nach Berufen für uns suchen. Damals wollte ich unbedingt in einem Theater arbeiten. Ich habe in dem Computer entsprechend gesucht und den Job des Logenschließers gefunden, für den ich mich jedoch nicht begeistern konnte. Das war’s dann in Sachen Berufsorientierung.

Frau Călineci dagegen sprach davon, wie sie mit jungen Menschen erarbeitet, was sie für Ziele und Träume für ihr (Berufs-)Leben haben. Gerade Jugendliche aus schwierigeren sozialen Verhältnissen seien es gar nicht gewohnt, dass jemand sie so etwas fragt und noch weniger, dass jemand sich für ihre Antwort interessiert. Es geht um die Ziele, die man im Berufsleben erreichen will: Anerkennung, Einkommen, Erfolg, Spaß? Und was bringen die Jugendlichen eigentlich jenseits der Schule für Eigenschaften, Interessen, Begabungen für einen Beruf mit? Der Berufsberater hat auch die Aufgabe, das Selbstbewusstsein zu stärken und jungen Menschen Wege aufzuzeigen, von denen Sie vorher nichts wussten oder von denen sie geglaubt haben, sie seien ihnen verschlossen. Die ganz praktischen Informationen zu Berufs- und Karrierewegen dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen.

Nach dem Vortrag dachte ich: richtig, genau darum geht’s. Eine gute Berufsberatung kann viel bei jungen Menschen bewirken. Man sollte die Arbeit, die Berufsberater daher auch entsprechend wertschätzen und ihnen die gestalterischen und zeitlichen Freiräume lassen, individuell mit den Jugendlichen zu arbeiten. Das gilt für Rumänien genauso wie für Deutschland.



Kommentare

  1. / von Maximilian Göllner

    Lieber Herr Thies,
    Ihren Apell, der Arbeit von Berufsberatern und -beraterinnen eine größere Wertschätzung zukommen zu lassen, kann ich nur bestärken. Gleichzeitig möchte ich aber auch eine Öffnung der Perspektive auf das gesamte Feld der Bildungs- und Berufsberatung anregen. Die Zielgruppe von jungen Menschen ist nur eine von vielen, die an einem Übergang steht und Unterstützung bei der beruflichen Neu-, Weiter oder Umorientierung benötigt.
    In den öffentlich geförderten (Weiter-)Bildungsberatungsstellen (beispielsweise in Berlin, Niedersachsen oder Österreich) finden Menschen aus unterschiedlichsten Altersklassen und sozialen Milieus sowie zu den verschiedensten Anliegen Unterstützung bei Entscheidungen zu ihrer Berufs- und Bildungsbiographie.
    Dabei befinden sich die Berater und Beraterinnen immer im Spannungsfeld zwischen dem individuellen Wunsch nach Selbstbestimmung und den Anforderungen gesellschaflticher Strukturen bzw. des Arbeitsmarktes. Diese Aufgabe erfordert zum einen ein hohes Maß an pädagogischer Kompetenz und zum anderen die Notwendigkeit, über aktuelle Informationen und Wissen zum Thema Ausbildung und Beruf in all seinen Ausprägungen zu verfügen. Und das ist wahrlich eine Aufgabe, die Berater und Beraterinnen nur aus einer starken Organisation oder Netzwerk heraus leisten können.
    Wenn auch noch öffentliche Wertschätzung dazukommen würde, wäre sicherlich ein weiterer Schritt in die richtige RIchtung getan.

    1. / von Lars Thies
      zu

      Lieber Herr Göllner,

      vielen Dank für Ihre Anregung. Sie haben völlig recht damit, dass junge Menschen nur eine von vielen Zielgruppen bei der Berufsberatung sind. Beratung und Unterstützung bei der beruflichen Um- oder Weiterorientierung von Erwachsenen ist natürlich ebenso wichtig und sollte in gleichem Maße anerkannt werden. Im Rahmen des Projekt „Weiterbildung für alle“ setzt sich die Bertelsmann Stiftung deswegen auch für einen Ausbau der Beratung in der Weiterbildung insbesondere für Geringqualifizierte und atypisch Beschäftigte ein.

      1. / von Maximilian Göllner
        zu

        Wir beschäftigen uns im Land Berlin auch schon seit einigen Jahren mit der Frage nach einer qualitätsvollen Umsetzung von Bildungsberatung und den Besonderheiten einer zielgruppenadäquaten Adressierung und Ausgestaltung. Mittlerweile ist ein berlinweites Modell enstanden, welches sich auf die wesentlichen Gestaltungselemente von Beratung konzentriert (Verständnis, Prozess, Personal, Evaluation, etc.) und sich in der praktischen Umsetzung bewährt.
        Gerade mit Blick auf den Schwerpunkt B des Projektes „Weiterbildung für alle“ müssten sich doch Synergien für eine starke Praxis herstellen lassen. Über weitere Informationen oder einen vertiefenden fachlichen Austausch würden wir uns jedenfalls sehr freuen!

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