Smart zum Berufsabschluss – Ein Besuch bei smart work frankfurt

Wir sind in einem Frankfurter Stadtteil, in dem knapp 10.000 Menschen leben. In einem Viertel, das eingeklemmt zwischen zwei S-Bahnlinien einem Kuchenstück gleicht, wohnt rund die Hälfte der Bewohner dieses Stadtteils. Durch den nahen Chemiepark ist das Umfeld industriell geprägt. Hier leben vergleichsweise[1] viele „Ü-65er“. Zudem wird für Frankfurter Verhältnisse ein vergleichsweise hoher Anteil an Sozialleistungen an die Bewohner des Stadtteils ausgezahlt. Die gängigen Lebensmittelketten eröffnen hier keine Supermärkte mehr. Aus ihrer Sicht lohnt das nicht, denn die Bewohner haben zu wenig Kaufkraft. Für die Bewohner ist das tragisch, sind sie wenig mobil und damit auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen. Diese Nahversorgungslücke schließt seit einigen Jahren der Smart Markt. Was der Smart Markt noch bietet? Eine Chance zur beruflichen Qualifizierung!

Der Smart Markt gehört zur smart work frankfurt gGmbH und gibt Menschen die Chance den „Frankfurter Weg zum Berufsabschluss“ zu gehen. Sie können sich dort im Berufsbild „Einzelhandelskaufmann/-frau“ (3-jährige Berufsausbildung) betrieblich qualifizieren. Organisiert werden die Maßnahmen von smart work frankfurt gGmbH – bis 2014 ein Betrieb von Werkstatt Frankfurt e. V. Dieses Qualifizierungsangebot gibt es seit mehr als 10 Jahren und ermöglicht Menschen, einen Berufsabschluss zu erreichen, wenn sie arbeitslos und älter als 25 Jahre sind.

Wie funktioniert der „Frankfurter Weg zum Berufsabschluss“?

Ziel des Frankfurter Wegs ist es, Menschen zum Berufsabschluss zu führen. Ein Einstieg in die Qualifizierung ist jederzeit möglich – fix sind lediglich die zweimal jährlich stattfindenden Prüfungstermine, auf die der Arbeits- und Lernprozess ausgerichtet ist. Weitere wichtige Aspekte beim „Frankfurter Weg“ sind: Anfangen, durch die modular aufgebaute Qualifizierung Schritt für Schritt Selbstvertrauen aufbauen und derart gestärkt die Qualifizierung auch in schwierigen Situationen fortsetzen, dabei selbständiges Arbeiten und Lernen lernen. Die Qualifizierung wird je nach Teilnehmenden individuell gestaltet: Sie orientiert sich an den meist informell erworbenen Kenntnissen und Kompetenzen und der Berufserfahrung, die jemand mitbringt.

Diese Grundsätze gelten für die o. g. Qualifizierung im Verkauf oder auch für die angehende „Fachkraft für Lagerlogistik“, „Koch und Köchin“ oder „Maler*innen und Lackierer*innen.“ Dabei sind das nur einige der Berufe, die nicht nur bei smart work Frankfurt gGmbh angeboten werden, sondern z. B. auch bei sfg und GWR, ebenfalls ehemalige Betriebe von Werkstatt Frankfurt e. V.

Pro Beruf gibt es eine bestimmte Anzahl von zertifizierten Qualifizierungsbausteinen, die über einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren absolviert werden können. In der Summe sind sie die Voraussetzung für die Anmeldung zur Externenprüfung bei der jeweiligen Kammer. Die Lerninhalte werden hauptsächlich im Arbeitsprozess vermittelt. Was zusätzlich, z. B. für die Prüfung an theoretischem Wissen vorhanden sein muss, wird bei betrieblichem Einsatz im Smart Markt und in Lerngruppen gelernt. Für 4 Stunden pro Woche treffen sich die angehenden Kaufleute in dieser Lerngruppe, um sich etwa mit dem notwendigen Stoff in Wirtschafts- und Sozialkunde auseinander zu setzen. Dafür steht ein separater Seminarraum zur Verfügung, der auch außerhalb der Lerngruppe für das Selbststudium oder zur Vor- und Nachbereitung von Lernerfolgskontrollen genutzt werden kann.

Zusammenfassend gilt für den Qualifizierungsalltag: Der betriebliche Teil funktioniert gut; das Lern- und Arbeitstempo lässt sich bei Bedarf an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen.

Was macht die Arbeit von smart work frankfurt erfolgreich?

Bevor Arbeitssuchende mit der Qualifizierung starten können, hat das zuständige Jobcenter die grundsätzliche Eignung bescheinigt, teilweise durch entsprechende Tests. Teilnehmende haben selten Probleme damit, Handgriffe, Arbeitsschritte und Aufgaben im jeweiligen Beruf zu bewältigen. Für sie ist es vor allem eine Herausforderung, innerhalb bestimmter fester Vorgaben zu agieren und zu kommunizieren. Außerdem machen sich häufiger soziale oder personale Probleme im Arbeitsalltag bemerkbar und erschweren ihn. Daher ist bei smart work frankfurt die sozial-pädagogische Betreuung ein wichtiger Bestandteil der Qualifizierung.

Sie ist notwendig, um Teilnehmende zum Lernen zu führen und zu stabilisieren. Nach und nach wächst die Selbstlernkompetenz und damit auch das Selbstvertrauen. Im Smart Markt lernen wir eine „Verkäuferin“ kennen, die dort nach erfolgreicher IHK-Prüfung arbeitet. Da sie die Qualifizierung mit einer 2 abgeschlossen hat, wird sie für ein Jahr weiterbeschäftigt. Aber selbst sie braucht noch Zuspruch, um den nächsthöheren Abschluss als „Einzelhandelskauffrau“ anzustreben. Hier hilft das Team von smart work, das immer wieder Mut macht und dabei unterstützt, selbstorganisiert zu lernen und trotz privater erschwerender Umstände das berufliche Ziel zu erreichen. Der soziale Rahmen und die organisatorische Struktur (Lernen im Arbeitsprozess, Lerngruppe u.a.m. – s. Broschüre 100304_Brosch_FrankfurterWeg_Web_mini1), die smart work bietet, sind also die wesentlichen Erfolgsfaktoren, die dazu beitragen, dass viele Teilnehmende den Berufsabschluss erreichen und eine Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt anstreben. 

Zahlen, Daten, Fakten zum „Frankfurter Weg“

Blickt man auf die Geschichte des „Frankfurter Wegs zum Berufsabschluss“ ist erwähnenswert, dass die Stadt Frankfurt als „Träger“ von Werkstatt Frankfurt e. V. und das Jobcenter die Finanzierung auf die Beine gestellt hatten gemäß dem Motto „Arbeit statt Lohnersatzleistungen“. Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer sowie der Berufsbildungsausschuss haben von Beginn an dieses Qualifizierungsangebot für Menschen über 25 Jahre unterstützt.

Heute ist jedes der maximal drei Qualifizierungsjahre für sich als Bildungsgutschein-Maßnahme gemäß AZAV anerkannt und entsprechend gefördert.

Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt bei 33 Jahren.

Die mehrstufige, modularisierte, „offene“ Qualifizierung kommt Menschen entgegen, die informell erworbene berufliche Handlungskompetenz mitbringen. Sie ist gemacht für Menschen mit „gebrochenen“ Qualifizierungs- und Erwerbsbiografien und auch für Menschen aus Ländern, in denen es die formalisierte Berufsausbildung wie im deutschsprachigen Raum nicht gibt.

Die verwendeten Qualifizierungsbausteine sind von den Kammern zertifiziert. Zum Abschluss jedes Qualifizierungsbausteins gibt es eine betriebsinterne Prüfung nach Vorgaben der Kammern. Das Erreichen des Lernziels wird jeweils mit einem Zertifikat der jeweiligen Kammern bescheinigt. 5348 dieser Bausteine wurden seit 2006 absolviert und mehr als 80 % von den Kammern mit einem Zertifikat nach bestandener Prüfung belohnt. Rund 90 % der abschließend abgelegten Kammerprüfungen wurden bestanden![2]

Der „Frankfurter Weg“ ist eine Möglichkeit, fehlende Kompetenzen zu erwerben und damit auch die für Deutschland üblichen schriftlichen Nachweise. In einem der nächsten Beiträge berichte ich über den Besuch bei einer Berliner Initiative zur beruflichen abschlussorientierten Nachqualifizierung.

Abschließend der Hinweis auf die Konferenz, bei der die Ergebnisse der Evaluation des Kölner Bildungsmodells präsentiert werden (Kooperation der Stadt Köln, des Jobcenters Köln sowie der Bertelsmann Stiftung):

„Schritt für Schritt zum Berufsabschluss – Modulare Formen der Qualifizierung als Mittel der Fachkräftesicherung“ im Rathaus zu Köln am 04.02.2019 ab 11:30 Uhr

Haben Sie Interesse an der Konferenz? Weitere Informationen hier. Oder melden Sie sich direkt unter diesem Link an: https://www.bildung.koeln.de/Anmeldung_KoeBi

Empfohlene Beiträge:

Evaluation des Kölner Bildungsmodells

Modulare Qualifizierung im Projekt EMSA, Berlin

 

[1] http://www.statistik.stadt-frankfurt.de/strukturdatenatlas/stadtteilprofile/html/atlas.html – Bevölkerung Stadtteil Sindlingen 2017

[2] smart work frankfurt, Stand August 2018



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