Deutscher Weiterbildungsatlas 2018: Wie schneidet Nordrhein-Westfalen bei der Weiterbildungsbeteiligung ab? (3/4)

Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel zu anhaltender Chancengerechtigkeit. Ob Menschen sich weiterbilden oder nicht, hängt jedoch auch vom Wohnort ab. In Nordrhein-Westfalen nahmen zuletzt mehr Menschen an Weiterbildungen teil als noch 2013. Dennoch liegt das Land unter dem bundesweiten Durchschnitt.

In Nordrhein-Westfalen nahm 2015 mehr als jeder zehnte Bürger (10,7 Prozent) ab 25 Jahren mindestens einmal jährlich an einer allgemeinen oder beruflichen Weiterbildung teil. Das ist etwas mehr als noch 2013 (10,4 Prozent). Damit liegt Nordrhein-Westfalen aber unter dem Bundesdurchschnitt von 12,2 Prozent. Niedriger als in Nordrhein-Westfalen ist die Weiterbildungsbeteiligung nur in Sachsen-Anhalt, Bremen, Berlin und dem Saarland. Gemeinsam bilden diese Länder das untere Drittel im bundesweiten Vergleich. Baden-Württemberg führt die Liste der Bundesländer mit einer Weiterbildungsbeteiligung von 15,3 Prozent an.

Positive Entwicklung in Kommunen mit geringer Weiterbildungsbeteiligung

Doch nicht nur zwischen den verschiedenen Bundesländern variiert der Anteil der Menschen, die sich regelmäßig fortbilden. Auch innerhalb der Bundesländer sind die Unterschiede teilweise gravierend, so auch in Nordrhein-Westfalen: Während sich in Münster über 18 Prozent der Einwohner fortbilden, weisen Minden-Lübbecke, Heinsberg, Aachen und Euskirchen Teilnahmequoten von weniger als sechs Prozent auf. Im Vergleich zur letzten Erhebung ist jedoch auffällig, dass einige Kommunen mit damals besonders niedriger Weiterbildungsbeteiligung heute merklich bessere Werte aufweisen, wie etwa Soest, Mettmann oder auch Gütersloh. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, folgert daraus: „Gerade dort, wo bisher wenige Menschen von Weiterbildung profitieren, können auch kurzfristig Fortschritte erzielt werden. Dazu ist eine Zusammenarbeit der kommunalen Akteure aus Wirtschaft, Politik und Arbeitsverwaltung unumgänglich, beispielsweise mit Blick auf mehr Weiterbildungsangebote, individuelle Beratung und bessere Verkehrsanbindungen.“

Nordrhein-Westfalen nutzt Potenziale noch nicht aus

Etwa ein Drittel der Unterschiede bei den Weiterbildungsquoten lässt sich durch die regionale Sozial- und Wirtschaftsstruktur erklären. So führen zum Beispiel ein hoher Bildungsgrad der Bevölkerung und eine gute wirtschaftliche Lage dazu, dass sich mehr Menschen weiterbilden. Zwei Drittel der Unterschiede werden jedoch durch andere Aspekte wie beispielsweise den Umfang des Weiterbildungsangebotes beeinflusst und sind somit zum Teil steuerbar. Wie gut Kreise und kreisfreie Städte ihre strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nutzen, erfasst die Potenzialausschöpfung.

Hier zeigt sich, dass Nordrhein-Westfalen rund sieben Prozent hinter der erwarteten Weiterbildungsbeteiligung zurückbleibt, allerdings nicht einheitlich für alle Kommunen. So übertrifft Hamm die Erwartungen um 33,5 Prozent, ähnlich Unna (um 21,9 Prozent) oder Herne (um 19,1 Prozent). Hingegen bleiben Aachen, Euskirchen und Heinsberg rund 50 Prozent hinter ihren Potenzialen zurück. „Wenn man in Rechnung stellt, was mit der jeweiligen Bevölkerung und Wirtschaftskraft möglich wäre, zeigt sich der ungenutzte Handlungsspielraum“, kommentiert Prof. Dr. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung die Ergebnisse der Potenzialanalyse. Gleichsam hält Prof. Schrader es für unverzichtbar, genauer zu erforschen, was auf kommunaler Ebene zu einer hohen und was zu einer niedrigen Weiterbildungsbeteiligung führt. „Vor Ort lässt sich am besten entscheiden, welche kommunal- und landespolitischen Maßnahmen positiv auf die Weiterbildungsbeteiligung wirken.“

Soziale Spaltung in der Weiterbildungsbeteiligung

Deutlich wird zudem für das gesamte Bundesgebiet, dass nicht alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen von vorhandenen Weiterbildungsangeboten profitieren. Geringqualifizierte und Arme bilden sich in Nordrhein-Westfalen besonders wenig fort, nur 4,5 bzw. 6,3 Prozent. Das Bundesland unterschreitet damit die ohnehin schon niedrigen bundesweiten Durchschnittswerte in diesen Teilgruppen und bildet das Schlusslicht in der Weiterbildungsteilnahme von Geringqualifizierten.

Jörg Dräger fordert, die soziale Unwucht im Weiterbildungssystem zu begradigen: „Damit Ärmere und Geringqualifizierte häufiger an Weiterbildungen teilnehmen, müssen sie besser beraten und finanziell gefördert werden. Es ist fahrlässig, dass besonders Arme und Geringqualifizierte unter den Sparmaßnahmen der vergangenen 20 Jahre leiden.“

Wie Arme und Geringqualifizierte in anderen Bundesländern bei der Weiterbildungsbeteiligung abschneiden, erfahren Sie im nächsten Blogbeitrag zum Deutschen Weiterbildungsatlas!

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