Die Reformen zur Berufsorientierung der letzten 10 Jahre: viele Maßnahmen – wenig Einheitlichkeit

Die Unterstützung der Berufsorientierung ist kein neues Thema; man denke beispielsweise an die Einführung des Fachs Arbeitslehre in den 1970er Jahren. In den letzten Jahren hat das Thema eine neue Aktualität erfahren, was auf verschiedene Herausforderungen im beruflichen Übergang zurückgeführt werden kann. Um diesbezüglich einige Schlagworte zu nennen: Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze, unversorgte Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, zunehmende Vielfalt der Wahlalternativen, Academic Drift, Ausbildungs- und Studienabbrüche.

Angesichts dieser Herausforderungen haben in den letzten Jahren die Bundesländer die Berufsorientierung (unter dem Begriff Berufsorientierung wird auch die Studienorientierung subsummiert) massiv ausgebaut. Dies betrifft u. a. die Ausweitung der Praxiskontakte (z. B. Betriebspraktika), die Einführung von Potenzialanalysen, spezielle Maßnahmen für Jugendliche mit einem besonderen Förderbedarf und die Vernetzung der regionalen Akteure. Zu den Reformen auf Landesebene kommen zahlreiche Initiativen auf der Bundesebene hinzu, die die Erlasslage der Bundesländer beeinflusst haben. Diesbezüglich sind neben dem Ausbildungspakt bzw. der Fachkräfteinitiative das verstärkte Engagement der Bundesagentur und diverse BMBF-Programme (z. B. Bildungsketten mit den Unterprogrammen Berufseinstiegsbegleitung und Berufsorientierungsprogramm) von Relevanz. Hinzu kommen Maßnahmen wie beispielsweise das Bundesnetzwerk Berufswahl-SIEGEL, der Berufswahlpass oder der Girl’s/Boy’s Day.

  • Im Rahmen einer Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Oldenburger Institut für Ökonomische Bildung die Reformen auf Bundes- und Landesebene analysiert. Vor dem Hintergrund des Kulturförderalismus wurde einerseits untersucht, inwieweit die Bundesländer unterschiedliche Wege gehen. Zugleich wurde geprüft, welche Gemeinsamkeiten festgestellt werden können, insbesondere bei der Adaption von bundesweiten Reformen und Programmen auf Landesebene. Als wichtige Ergebnisse können festgehalten werden:In allen Bundesländern lassen sich umfangreiche Reformen zur Berufsorientierung in der Sekundarstufe I feststellen, die darauf hinweisen, dass die Berufsorientierung als ein relevanter Bildungsauftrag der Schulen anerkannt ist. Dies zeigt sich auch daran, dass die Intensivierung der Berufsorientierung in der Mehrzahl der Bundesländer mit einer Reform der Schulformen in der Sekundarstufe I einhergeht. Die Gymnasien waren bislang – wenngleich es auch in dieser Schulform einen Handlungsbedarf gibt – in den meisten Bundesländern von den Reformen weit weniger betroffen.
  • Wie insbesondere die vergleichende Darstellung der Berufsorientierung in den Bundesländern im vierten Kapitel offenbart, ist bei den zahlreichen Reformvorhaben in den Bundesländern nur bedingt eine gemeinsame Linie zu erkennen. Dies betrifft u. a.
    • den Umfang und die Ausgestaltung der Praxiskontakte,
    • die Berücksichtigung der Berufsorientierung in den Unterrichtsfächern und die Definition eines Ankerfachs,
    • die Einbindung der Berufsorientierung in die Schulentwicklung und -organisation,
    • die Durchführung von Potenzialanalysen (Verfahren, freiwillig/verpflichtend, Durchführung durch die Schule oder einen Träger),
    • den verbindlichen bzw. freiwilligen Einsatz verschiedenster Maßnahmen zur Berufsorientierung,
    • die Abstimmung zwischen den Schulen und deren Kooperationspartnern bei der Konzeptentwicklung und die Gestaltung von regionalen Netzwerkstrukturen.
  • Die kulturförderale Heterogenität ist in der Berufsorientierung besonders stark ausgeprägt. Die unterschiedlichen Strukturen auf Landesebene erschweren zugleich auch die passgenaue Einbindung der bundesweiten Programme in die schulischen Berufsorientierungskonzepte. Dies betrifft u. a. die ressourcenintensiven Programme des BMBF.

Unter Berücksichtigung gelungener Praxisbeispiele aus den Bundesländern wurden Thesen mit dem Ziel formuliert, die Effektivität der eingesetzten Mittel zum Wohle der Schülerinnen und Schüler zu steigern. Dies betrifft u. a. die Einheitlichkeit zwischen und innerhalb der Bundesländer, die Verankerung der Berufsorientierung im Unterricht und in der Schulorganisation, die Vernetzung der Akteure, die Schaffung langfristiger und damit für die schulischen Berufsorientierungskonzepte berechenbarer Förderstrukturen. Eine besondere Bedeutung wird außerdem der Sicherstellung der Qualifikation der Lehrkräfte, aber auch der anderen Akteure im Feld zugemessen.

Die gesamte Studie finden Sie hier.



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