Das duale System – Ein Vergleich zwischen Schule und Betrieb

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich meine Rolle als Auszubildender bei Bertelsmann und meiner Tätigkeit als Fußballjugendtrainer verglichen. Vor Allem der tägliche Perspektivwechsel spielte hierbei eine übergeordnete Rolle. Einen ähnlichen Perspektivwechsel erlebe ich auch täglich in meiner Ausbildung. Es ist der Wechsel zwischen der Berufsschule und meiner Arbeit im Betrieb. Im Folgenden möchte ich das duale System in Bezug auf den schulischen Aspekt, die unterschiedlichen Lehrmethoden und meine persönlichen Verbesserungswünsche, näher beleuchten.

Das duale System

Als ich mich vor gut 2 Jahren für eine Ausbildung bei Bertelsmann entschieden habe, stand vor allem die Kombination zwischen Betrieb und Berufsschule für mich im Vordergrund. Diese unterscheidet sich hier nämlich in einem Punkt signifikant von anderen Ausbildungsstellen. Der Berufsschulunterricht findet in einer eigenen Berufsschule in der Hauptverwaltung statt. Somit fällt es leicht Brücken zwischen dem Gelernten in der Schule und der Praxis in den jeweiligen Abteilungen zu schlagen. Aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen in der Branche oder in wichtigen Geschäftsfeldern können im Unterricht direkt unter die Lupe genommen werden. Somit entsteht automatisch eine höhere Bindung zum Unternehmen, als es beispielsweise bei einer normalen Schule der Fall wäre.

Durchgängiger Unterricht oder Blockeinheiten?

Der Unterricht findet zweimal wöchentlich in der Zeit von 08:00 bis 13:00 statt. Die restliche Zeit verbringe im Betrieb. Dies ist ein weiterer Unterschied zu anderen Betrieben, in denen der Unterricht während der Ausbildung blockweise stattfindet: 3 Monate durchgängig in einer Abteilung, danach ein Schulblock in der gleichen Länge.

Da ich nie in einem Blockmodell partizipiert habe, kann ich dieses natürlich schwer bewerten und kann mich deshalb nur auf Erfahrungen aus meinem Freundeskreis berufen. Aus meiner Sicht überwiegen die Vorteile jedoch beim System des „durchgängigen Unterrichts“. Ein entscheidender Faktor hierbei ist, dass man dauerhaft sowohl schulisch als auch betrieblich im Thema bleibt. Somit fallen Themeneinstiege leichter und man kann Theorie direkt mit Praxis verknüpfen. In meiner Zeit in der Buchhaltung beispielsweise konnte ich neu gelernte Inhalte des Unterrichts zum Thema „Steuern“ direkt auf die mir vorliegenden Rechnungen übertragen. Bei welcher Art Rechnung darf ich die Mehrwertsteuer abziehen und wo nicht? Eine Frage die auf den ersten Blick immer recht schwierig zu beantworten war, fiel einem direkt leichter, da man Gesetze und Regeln der Buchhaltung aus dem Unterricht noch präsent im Kopf hatte.
In einem Blockmodell fällt man immer wieder in verschiedene routinierte Abläufe zurück. Nach 3 Monaten Schule fällt einem der Arbeitsalltag durch seine neu gestrickten Herausforderungen schwerer. Andersrum braucht man erst auch wieder eine gewisse Eingewöhnungszeit in der Schule, damit man sich inhaltlich wieder auf dessen Themen fokussieren kann. Um dies zu verhindern müsste man nach der Arbeitszeit zusätzlich die Schulbücher wälzen, um am ersten Unterrichtstag direkt einsteigen zu können.

Einen weiteren Vorteil im „durchgängigen Modell“ liegt darin, dass man den Kontakt zu den Mitschülern leichter halten kann. Oftmals ist man isoliert von anderen, wenn man in der Abteilung eingesetzt ist. Falls man das Glück hat, dass am selben Standort andere Azubis eingesetzt sind, kann man sich zwar zum Mittagessen treffen, dennoch betrifft dies nur einen kleineren Teil der Gruppe. Wir haben jedoch die Möglichkeit zweimal in der Woche uns in den Schulpausen, im Unterricht und beim Mittagessen mit der gesamten Klasse auszutauschen. Somit entsteht in meinen Augen eine bessere Klassengemeinschaft, da man durchgängig intensiven Kontakt zu seinen Mitschülern pflegt.

Betrieb oder Schule? Wo lernt es sich besser

Der Unterricht und seine Inhalte unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von anderen Berufsschulen. Wir haben einen ganz normalen Stundenplan mit den Fächern Englisch, Politik, Geschäftsprozesse (GP) und Steuerung/ Kontrolle (SK). Die Inhalte selber werden im Unterricht abwechslungsreich vermittelt. Es gibt beispielsweise Gruppenarbeiten, welche Planspiele ähneln, in denen wir unterschiedliche Probleme und Aufgaben lösen müssen. Zudem werden neue Inhalte unterschiedlich präsentiert. Egal ob Notizen am Flipchart als eine Art Mindmap, eine Präsentation als PowerPoint, eine Diskussion in der Klasse oder klassisch an die Tafel geschrieben, es wird versucht möglichst viel Abwechslung zu schaffen. Durch diese vielfältigen Methoden wird jeder Lerntyp (visuell, auditiv, kommunikativ und motorisch) angesprochen. Somit fällt es leicht dem Unterricht zu folgen und neue Inhalte besser zu verstehen.
In den Abteilungen ist es jedoch anders. Entweder gibt es Azubiordner, in denen Dokumentationen hinterlegt sind, die Vorgänge Schritt für Schritt erklären oder man lernt die Dinge nach dem Prinzip „learning by doing“ mit seinem Ausbilder am PC. Manchmal guckt man seinem Ausbilder auch bei der Arbeit zu. Nebenbei werden einem die einzelnen Schritte dann erklärt. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass der einzelne Ausbilder schlecht zwischen den Methoden variieren kann. Somit wird häufig nur ein Lerntyp angesprochen und falls man nicht zufällig dieser spezielle Typ ist, fällt das Verstehen der Aufgaben schwer. Somit kommt es vor, dass der Einstieg in manche Abteilung schwer fällt. Erst nachdem sich eine gewisse Routine in den Arbeitsalltag eingeschlichen hat, kann man Aufgaben sorgfältig und schnell lösen.
Ich persönlich kann besser in der Schule lernen. Inhalte prägen sich durch die verschiedenen Methoden besser ein und ich kann diese besser in meine Denkprozesse verankern. In den Abteilungen dauert der Lernprozess bei mir länger, da nicht immer mein Lerntyp angesprochen wird.
Dies ist in meinen Augen der größte Kritikpunkt, da viel Zeit verloren geht, bis ein Azubi einen Wert für die Abteilung bilden kann. Dabei könnte man durch unterschiedliche Lernmethoden die Eingewöhnungszeit deutlich effizienter gestalten.

Prozessverbesserung

Der Schlüssel hierbei liegt in meinen Augen darin, dass Ausbilder besser geschult werden sollten. Neben den schon stattfindenden Ausbilderroutinen, sollte es Schulungen geben, in welchen dem Ausbilder eine effektive Wissensvermittlung beigebracht wird. In diesen sollte aufgezeigt werden, wie der Ausbilder seine Aufgaben, welche er dem Azubi übergeben möchte, möglichst leicht zugänglich erklären kann. Hierbei stehen meiner Ansicht nach vor allem die Lehrmethoden im Vordergrund. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die Ausbilder in Schulungen konkretes Methodentraining erhalten. Man sollte in der Lage sein die jeweiligen Lerntypen ausreichend zu bedienen und mit ihm zu arbeiten. Ob man nun für den visuellen Typ eine Dokumentation anlegt, in welchem einzelne Schritte haargenau und mit Bildern veranschaulicht werden oder für den kommunikativen Typen ein “learning by doing“-Prinzip mit intensiven Austausch über den Prozess anbietet.
Insbesondere sollte man zu den genannten Beispielen auf genügend Abwechslung achten. Dafür sollten die Ausbilder genügend Zeit zur Verfügung gestellt bekommen, damit er neue und abwechslungsreiche Aufgaben vorbereiten kann. Ziel sollte es sein, dass der Azubi möglichst alle Aufgaben der Abteilung versteht und nachvollziehen kann. Von einer intensiven Betreuung profitieren der Azubi und die Abteilung. Die Ausbilder in der jeweiligen Abteilung sollten, während der Einarbeitungszeit des Azubis, weniger Sachaufgaben bearbeiten müssen, damit gerade in den ersten Wochen des Azubis in der neuen Abteilung eine optimale Einarbeitung gewährleitstet ist. Ist der Azubi danach in der Lage selbständig und routiniert zu arbeiten, kann der Ausbilder wieder mehr Sachaufgaben innerhalb der Abteilung übernehmen.
Neben dem zeitlichen Aspekt ist auch die Fähigkeit wichtig, dass jeder Lerntyp Gehör finden sollte und diese sollten von Ausbilder angesprochen werden können. Dies setzt wie oben genannt, eine intensive Methodenschulung voraus. Gerade in der ersten Woche sollten unterschiedliche Möglichkeiten getestet werden, wie der jeweilige Azubi die neu erlernten Inhalte verarbeitet. Hierbei ist ein intensiver Austausch der beiden Parteien von Nöten. Vielleicht weiß auch der Azubi selber, wie er sich die Inhalte am besten aneignen kann. Auf den jeweiligen Lerntypus ausgerichtet, sollten Ausbilder und Azubi in den kommenden 3 Monaten zusammen arbeiten.
Ziel sollte es neben der typgerechten Wissensvermittlung, die Kompetenzen des Azubis innerhalb der Einsatzzeit zu erweitern und zu stärken. Dies kann man durch einen waschsenden Schwierigkeitsgrad der Aufgaben und somit einer steigenden Herausforderung für den Azubi erreichen. Am Ende der Abteilung könnte beispielsweise die Betreuung eine eigenes Arbeitsabschnitts stehen oder das Verfassen einer Prozessdokumentation. Hierbei kann nicht nur überprüft werden, wie die Inhalte der Abteilung vom Azubi verstanden wurden, sondern der Azubi lernt wichtige Arbeitseigenschaften wie Organisation, Zeitmanagement, Eigenständigkeit und erhält vor allem Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben in den neuen Abteilungen.

Fazit

Als Ganzes betrachtet schätze ich an der dualen Ausbildung die Kombination von Theorie und Praxis. In meiner Schulzeit hat in vielen Bereichen ein praktischer Bezug gefehlt. Natürlich hatte man beispielsweise im Chemie Unterricht immer wieder Experimente in denen man Bezug auf die Praxis nehmen konnte, jedoch hatte man in Fächern wie Englisch oder Mathe nur eine rein theoretische Beziehung zur Praxis. Hierbei liegt auch der Vorteil vom dualen System (sowohl Ausbildung als auch Studium) zu einem reinen Studium. Die Praxis ist ein entscheidender Faktor wenn es um das Thema Bildung geht. Man merkt ob die Erfahrungen die man in diesem Bereich sammeln kann auch wirklich zu einem passen. Im theoretischen Teil hört sich manches anders, schwerer oder leichter an, als es in der Praxis ist. Somit kann man in einem dualen System feststellen, ob die jeweilige Arbeit auch zur Theorie passt und ob sie einem gefällt. Diese beiden Welten aus Theorie und Praxis werden in diesem System erfolgreich verknüpft, weswegen das duale Studium oder die duale Ausbildung in meinen Augen auch die Systeme der Zukunft sind.
Auch die Schwächen in Bezug auf Blockunterricht und Lehrmethoden sind meiner Ansicht nach leicht zu verbessernde Faktoren. Gut geschulte Ausbilder und eine enge Theorie/Praxis Beziehung ist in meinen Augen die Schlüssel auf die man das Hauptaugenmerk richten sollte. Auch im dualen Studium ist ein „durchgängiges“ System möglich, indem man Vorlesungen beispielsweise an das Ende der Woche legt und die Arbeit in der Abteilung an den Wochenanfang. Meine Erfahrungen mit der durchgängig theoretischen und praktischen Ausbildung sind sehr positiv.



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