Umfrage

Innovative Ansätze für Kompetenzfeststellung gesucht

Informelles Lernen sichtbar machen

Althergebrachte Zeugnisse von Bildungsinstitutionen und Arbeitgebern reichen nicht aus, um all das was viele von uns informell gelernt haben sichtbar und für den Arbeitsmarkt verwertbar zu machen. Das zeigte eine von uns Ende letzten Jahres veröffentlichte Arbeitnehmer – und Arbeitgeberbefragung. Es stellt sich allerdings die Frage wie informell (z. B. am Arbeitsplatz oder in der Freizeit) und non-formal (in einer organisierten Weiterbildung) erworbene Kompetenzen gültig und zuverlässig erfasst werden können. Einige in Deutschland verbreitete Verfahren wurden in unserer Blogreihe „Vom Heben der Schätze“ bereits vorgestellt, darunter KODE, der Talentkompass NRW und unsere Kompetenzkarten sowie viele weitere.

Innovative Kompetenzfeststellung in Europa

Eine besondere Herausforderung besteht darin, Verfahren zu entwickeln, die auch für benachteiligte Zielgruppen zugänglich und effektiv sind, wie für Migranten, Geflüchtete, Langzeitarbeitslose und Menschen mit negativen Erfahrungen von Kompetenzfeststellung im formalen Bildungssystem. Solche Verfahren zu identifizieren ist das Ziel des unlängst gestarteten Erasmus+-Projekts „InnoVal„.

InnoVal-Logo

Bis September 2018 will das Projekt innovative Ansätze für Kompetenzfeststellung in 6 europäischen Ländern aufbereiten und für eine grenzübergreifende Nutzung zugänglich machen. Hierfür sollen unter anderem offene Lernmaterialien (Open Educational Resources) erstellt werden, die den Einsatz mit den über 50 zu identifizierenden Beispielen guter Praxis erläutern und erleichtern sollen.

Als ersten Schritt startete das Projekt eine Umfrage (auf Englisch) in der Praktiker und Experten im Feld der Kompetenzfeststellung gebeten werden, zu beschreiben, was dem Einsatz von entsprechenden Verfahren im Wege steht und was hingegen förderliche Bedingungen für den Einsatz sind.

 

Über die Ergebnisse des Projekts berichte ich zu gegebener Zeit erneut hier auf unserem Blog.

Over and Out.



Kommentare

  1. / von Michael Büchler

    Den meisten Menschen sind ihre Stärken bzw. Kompetenzen gar nicht bewusst. Viele halten das, was ihnen leicht fällt für völlig normal und würden gar nicht darauf kommen einen Wert darin zu sehen.
    Es gibt auch sehr viele Menschen die durch die mangelnden Zeugnisse und Weiterbildungen am Normsystem scheitern und gar nicht zeigen können was Sie drauf haben. Andere wiederum haben ein leben lang versagt, da Sie mit Prüfungsängsten nicht klar kommen. Im Unterricht oder in der Praxis sind diese Menschen sehr gut, aber wenn es um die Noten geht heißt es „Nicht bestanden“, kein Abschluss, keine Ausbildung. Diese Menschen werden sich schwer damit tun wieder einen Test durchzuführen, da Sie denken wieder zu versagen.
    Wenige werden ihre informellen Kompetenzen unter diesen Bedingungen zeigen können. Von daher denke ich, dass es besser wäre diesen Menschen erst einmal klar zu machen, dass Sie wertvoll sind und nicht nur für die Arbeitswelt gebraucht werden. Das man versucht die Ängste und Unsicherheiten dieser Menschen anzugehen und denen die sich verändern wollen auch echte Hilfe anbietet. Dann funktioniert das mit den Kompetenzfeststellungen auch bei dieser Zielgruppe!

    Viele Grüße
    Michael Büchler

  2. / von Martin Noack

    Sehr geehrter Herr Büchler,

    Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an. Harte prüfungsähnliche Kompetenztests sollten in der Tat in einen wertschätzenden Beratungskontext eingebunden sein. So sieht es auch das europäische 4-Phasen Modell der Kompetenzanerkennung vor, in welchem am Anfang die stärkenorientierte Identifikation und Dokumentation aller vorhandenen Kompetenzen der Klient*in unter Einbindung eines Beratenden steht. Diese ersten beiden Phasen sollen nicht nur Kompetenzen nach außen sichtbar machen, sondern vor allem das Individuum stärken und ein Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten aufbauen. Ein Instrument was hier ansetzt sind zum Beispiel unsere Kompetenzkarten. Weitere innovative Ansätze werden vom Projekt InnoVal gesucht.

    Darauf aufbauend muss aber, gerade um eine Verwertbarkeit der Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt herzustellen, die Phase der Bewertung folgen. Diese blickt nicht mehr Bottom-up aus Sicht der Lernenden sondern Top-Down vom formalen Bildungssystem bzw. den Anforderungen bestimmter Tätigkeiten her. Als valides Arbeitsmarktsignal reicht hier eine Selbsteinschätzung in der Regel nicht aus. Mögliche Varianten dieser Fremdeinschätzung reichen derzeit von Arbeitsproben und Expertengesprächen, über mündliche Prüfungen vor einem Ausschuss bis hin zu standardisierten Tests, wie jenen, die wir derzeit im Projekt Berufliche Kompetenzen erkennen gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit entwickeln. Auch hier sucht InnoVal nach alternativen Ansätzen, die vielleicht gerade die Hürde der Prüfungsangst überwinden helfen.

    Die Bewertung der Kompetenzen anhand konkreter praktischer Arbeitsproben kommt vielen informell Lernenden sicher am meisten entgegen. Jedoch verursacht ein solches Verfahren mitunter hohe Kosten und enthält immer auch eine gewisse subjektive Komponente in Person des oder der Prüfenden. Arbeitsproben sollten also Teil eines Bewertungsprozesses sein, diesen jedoch nicht vollständig ausfüllen. Inwiefern standardisierte muttersprachliche Tests an einem anonymen Computer der Prüfungsangst betroffener Klient*innen eher entgegen kommen als das Rede-und-Antwort-stehen vor einem deutschsprachigen Prüfungsausschuss, muss die Praxis zeigen. Fakt bleibt, der gesammte Prozess der Anerkennung von Kompetenzen von der Identifikation bis zur vierten und letzten Phase – der formalen Zertifizierung von Kompetenzen – sollte begleitet werden von erfahrenen und geschulten Beratenden, die die Lernenden wertschätzend in den Blick nehmen.

    Viele Grüße,
    Martin Noack

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