Neue Berufekarten im Praxistest

Nach dem großem Erfolg der Kompetenzkarten für die Potenzialanalyse in der Migrationsberatung[1], steht nun unser zweites Instrument zur Unterstützung der Berufs- und Laufbahnberatung – die Berufekarten – kurz vor der Fertigstellung.

Zusammen mit den Trägern der freien Wohlfahrt und dem Forschungsinstitut für betriebliche Bildung (f-bb) entwickelte die Bertelsmann Stiftung im Jahr 2015 mit den Kompetenzkarten ein praxisnahes, visualisiertes und mehrsprachiges Instrument zur Erfassung personaler, sozialer und methodischer Kompetenzen. Seit Beginn des Jahres arbeiten f-bb und Bertelsmann Stiftung nun an Berufekarten, die berufliche Vorerfahrungen von Klient*innen erfassen und berufliche Interessen aufdecken können. Nach zwei Entwicklungsworkshops mit Bildungs- und Berufsberater*innen aus Jobcentern, Arbeitsagenturen, Migrationsberatungsstellen und Weiterbildungsträgern befindet sich der Prototyp des neuen Kartensets nun im Praxistest bei ca. 50 Berater*innen. Im Folgenden stelle ich die Berufekarten kurz vor und beschreibe, welche Fragen uns in der Testphase leiten.

Berufekarten – Warum werden sie gebraucht?

Die Evaluation der Kompetenzkarten zeigte uns, dass dieses Instrument von den Berater*innen sowie den Klient*innen mit großer Begeisterung meist zur Berufsorientierung (74%) oder zur Vermittlung von Arbeit und Weiterbildung (68 %) verwendet wird. Einige Berater*innen wünschten sich aber ein ergänzendes Instrument, welches auch berufliche Kompetenzen beleuchtet. In einer anschließenden Umfrage wurde der Bedarf nach einem weiteren Instrument, das konkrete Berufe und Tätigkeitsfelder abbildet, klar bestätigt: 95% der 455 Befragten gaben an, dass sie Berufekarten neben den Kompetenzkarten nutzen würden.

Berufekarten – Was sind sie und was können sie?

Als innovatives und praxisnahes Instrument zur Vermittlung in Praktikum, Aus- und Weiterbildung und Arbeit sollen Berufekarten helfen, die Arbeitsmarktintegration von Migrant*innen einfacher zu gestalten. Darüber hinaus sind sie auch außerhalb des Migrationskontexts zur Bildungs- und Berufsberatung flexibel einsetzbar. Dabei schließen sie an die Beratung mit Kompetenzkarten an, oder können unabhängig von diesen zur ersten Erfassung beruflicher Erfahrungen und Interessen eingesetzt werden. Auch eine systematische Berufsorientierung nach Präferenzen, Vorerfahrungen und vorhandenen Kompetenzen ist mit den Berufekarten möglich.

Bei der Ausgestaltung haben wir uns ganz explizit an den in der Umfrage ausgedrückten Bedürfnissen der Kompetenzkartennutzer*innen orientiert. Im Unterschied zu den Kompetenzkarten bilden Berufekarten nun keine Zeichnungen, sondern Fotos ab. Ca. 200 Ausbildungsberufe werden auf 55 Karten zu verschiedenen Tätigkeitsbereichen dargestellt, von A wie Architektur über M wie Medien bis zu W wie Wirtschaft. Die Rückseite informiert über mögliche Tätigkeitsfelder und berufliche Qualifikationen.

Dazu kommen 10 Karten zu aktuell besonders nachgefragten Einzelberufen. Fotos bilden auf der Vorderseite typische Handlungsfelder ab, während die Rückseite unter anderem Informationen zu typischen Einsatzorten, Weiterbildungsmöglichkeiten sowie notwendige Kompetenzen in der Kompetenzkartenlogik bereithalten. Die Titel aller Karten sind zur Erleichterung des Einsatzes mit Migrant*innen und Geflüchteten neben Deutsch in 8 weiteren Sprachen abgedruckt: Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Russisch, Tigrinya, Arabisch und Farsi.

Das Set enthält darüber hinaus noch 16 Zusatzkarten, für eine einfachere Interaktion von Berater*innen und Klient*innen. Verstärkungskarten mit Pluszeichen (+ / ++ / +++) wie bei den Kompetenzkarten werden ergänzt durch Smileykarten ( 🙂 / 🙂 🙂 / 🙂 🙂 🙂 ) und Karten mit Zeiträumen. Weitere Karten verweisen auf Links zu ausführlicheren Informationen über die deutsche Berufslandschaft. Auch der Wunsch aus vorherigen Evaluationen, nach mehr Anleitung zum praktischen Gebrauch der Karten wird erfüllt: 5 Karten veranschaulichen mögliche Einsatzszenarien auf einen Blick.

Um sicher zu stellen, dass die Berufekarten auch tatsächlich die Beratungsbedürfnisse erfüllen, haben wir ca. 50 Berufsbildungsberater*innen gebeten, unseren Prototypen der Berufekarten zu testen. Bis zum 23.06. läuft die begleitende Befragung, von der wir uns hilfreiche Kritik und wichtige Anregungen versprechen.

Ziele der Testphase – Welche Fragen zur Eignung der Berufekarten beschäftigen uns?

Von der laufenden Umfrage erhoffen wir uns aufschlussreiches Feedback über die Zielgruppe, die Art und Weise sowie die Häufigkeit der Beratung mit unseren Karten, aber vor allem wollen wir wissen, wie der Prototyp der Berufekarten in folgenden Bereichen abschneidet:

Verständlichkeit der Darstellung. Eignen sich die Fotos, die Menschen beim Ausüben typischer Handlungen bestimmter Beispielberufe zeigen, und werden sie von Berater*innen und Klienten*innen verstanden?

Nützlichkeit der Informationen. Ermöglichen die auf Tätigkeits- und Einzelberufekarten enthaltenen weiterführenden Informationen über Tätigkeitsfelder, Qualifikationsmöglichkeiten und der Verweis auf entsprechende Kompetenzkarten eine schnellere, gezieltere und insgesamt erfolgreichere Beratung? Unter diesem Aspekt interessiert uns auch, inwiefern der Beratungsprozess durch den Berufekarteneinsatz verändert wird und wie die Klient*innen die einzelnen Karten bewerten.

Bewertung der Zusatzkarten. Natürlich sind wir besonders gespannt, ob die vorgeschlagenen Einsatzlegeszenarien hilfreich und praktikabel sind, oder ob sich gar ganz neue Möglichkeiten der Verwendung von Berufekarten ergeben.

Zuletzt möchten wir gerne herausfinden, ob die allgemeinere Ebene der Tätigkeitsbereiche, die zwischen den Themenbereichen und den Tätigkeitsfeldern von Berufenet liegen, dem Beratungsbedarf gerecht wird, und ob die Karten noch häufiger genutzt würden, wenn es mehr als die 10 bestehenden Einzelberufekarten gäbe.

Berufe- und Kompetenzkarten – Wie geht es jetzt weiter?

In ca. vier Wochen werden wir hier über die Auswertung der Umfrage berichten. Die endgültige Version der Berufekarten wird ab August erhältlich sein. Dann können wir uns der nächsten Herausforderung widmen, die uns die Evaluation der Kompetenzkarten mitgegeben hat: die Digitalisierung der Kompetenz- und der Berufekarten. Dabei wäre es zum Beispiel möglich, sämtliche schriftliche Elemente in den 8 Sprachen darzustellen. Dadurch würde der Einsatz der Karten noch flexibler.

 

[1] Einen Blogbeitrag zur Evaluation der Kompetenzkarten verfasste mein Kollege Dominik Giese.



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