Was nimmt man mit, wenn man noch nicht weiß wohin die Reise geht? – Automatisierung von Arbeit (2/4)

Wie in meinem letzten Blogbeitrag berichtet, vertreten die Wirtschaftswissenschaftler Brynjolfsson und McAfee die Meinung, dass der Mensch in Zukunft mit Maschinen, Robotern und Computern um Arbeitsplätze konkurrieren wird. Besonders gefährdet sind laut Brynjolfsson und McAfee Arbeitskräfte mit einem mittleren Bildungsniveau. Denn ihre Arbeitskraft wird bei einer Polarisierung der Beschäftigung im Vergleich mit höher und niedriger Qualifizierten weniger nachgefragt.

In diesem Blogbeitrag werde ich Studien vorstellen, die Prognosen über die Zukunft der heutigen Berufe wagen und der Polarisierungsthese eher widersprechen.

Automatisierungswahrscheinlichkeit von Berufen

Für Furore sorgte die 2013 Studie „The Future of Employment“ der amerikanischen Wissenschaftler Carl Benedict Frey und Michael Osborne. Laut der Studie arbeiten 47% der Beschäftigten in den USA in Berufen, der in den nächsten 10 bis 20 Jahren mit einer hohen Wahrscheinlichkeit automatisiert werden kann. Je niedriger das Bildungsniveau – so die Aussage der Wissenschaftler – desto höher ist die Automatisierungswahrscheinlichkeit.

Holger Bonin, Terry Gregory und Ulrich Zierahn vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben die Ergebnisse der Studie von Frey und Osborne auf Deutschland übertragen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass hierzulande 42% der Beschäftigten in Berufen arbeiten, die eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit haben. Allerdings kritisieren sie den berufsbasierten Ansatz der amerikanischen Wissenschaftler. Ihrer Meinung nach werden nicht Berufe, sondern nur einzelne Tätigkeiten automatisiert werden können.

Tätigkeiten statt Berufe

Bonin, Gregory und Zierahn verfolgen deshalb einen anderen Ansatz: die tätigkeitsbasierte Übertragung der Ergebnisse von Frey und Osborne auf den amerikanischen und auf den deutschen Arbeitsmarkt. Dafür definierten sie zunächst Tätigkeiten, die als schwer automatisierbar gelten. Das sind analytische Tätigkeiten, wie das Erkennen und Lösen von Problemen und interaktive Tätigkeiten, wie z. B. das Austauschen von Informationen. Mit diesem Modell kamen Bonin, Gregory und Zierahn zu dem Ergebnis, dass bei nur 12 % der Arbeitsplätze in Deutschland Tätigkeiten überwiegen, die zukünftig automatisiert werden könnten. Für die USA haben sie sogar einen noch geringeren Anteil von 9 % errechnet.

Bonin, Gregory und Zierahn kommen mit dem tätigkeitsbasierten Ansatz in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Automatisierungswahrscheinlichkeit und Bildungsniveau zum gleichen Ergebnis wie Osborne und Frey: Für Beschäftigte mit einer geringen Qualifikation liegt die Automatisierungswahrscheinlichkeit bei 80%. Bei einem Abschluss aus dem postsekundären, nicht-tertiären Bereich (z. B. einer dualen Berufsausbildung) sinkt die Automatisierungswahrscheinlichkeit auf ca. 50 %. Für Beschäftigte mit einem Universitäts- oder Hochschulabschluss sind es nur noch ca. 25%.

Eine weitere Studie, die den in Zukunft sinkenden Bedarf an geringqualifizierten Arbeitskräften beschreibt, wurde von Kurt Vogler-Ludwig, Nicola Düll, Ben Kriechel und Tim Vetter im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt. Sie verkünden: „keine Polarisierung des Arbeitsmarktes.“ Mit ihren auf verschiedenen Prognosen für das Jahr 2030 beruhenden Modellrechnungen kann die Polarisierungsthese den Autoren zufolge nicht gestützt werden.

Geringqualifizierung als Herausforderung für die Berufsbildung

In allen drei vorgenannten Studien sieht die Zukunft für Beschäftigte mit geringen Qualifikationen am schlechtesten aus. Sie werden mit den höchsten Wahrscheinlichkeiten durch Roboter oder andere Maschinen ersetzt werden können. Das Ziel der Berufsbildung sollte also darin liegen, alle Menschen bestmöglich zu qualifizieren, sodass möglichst viele Menschen in Zukunft mindestens einen mittleren Bildungsabschluss erreichen können.

Jedoch gab es 2015 laut Berufsbildungsbericht einen Anstieg bei den Neuzugängen im Übergangssystem (das nicht zu einem vollqualifizierenden Ausbildungsabschluss führt) auf 270.783. Dieser ist auch auf den Zustrom von geflüchteten jungen Menschen, die noch keinen beruflichen Abschluss haben, zurückzuführen. Und jedes Jahr beginnen rund 150.000 Jugendliche ihr Erwerbsleben ohne einen Ausbildungsabschluss. Um dem entgegen zu wirken, ist es wichtig möglichst vielen Jugendlichen den Beginn einer Berufsausbildung zu ermöglichen. Dafür gilt es eine bessere Passung zwischen Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage zu schaffen und bei Engpässen das betriebliche Angebot durch öffentlich geförderte Ausbildungsplätze aufzustocken.

Außerdem ist es unerlässlich dafür zu sorgen, dass alle, die eine Ausbildung beginnen, diese auch erfolgreich zu Ende bringen können. Dazu gehört, Auszubildende und Betriebe über die bereits bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten besser aufzuklären, damit diese im Bedarfsfall auch genutzt werden können. Daneben sollten Unterstützungsmöglichkeiten vor und während der Ausbildung, wie z. B. Deutschkurse für Geflüchtete, ausgebaut werden. Und durch flexiblere Ausbildungswege muss es jungen Menschen auch bei Schwierigkeiten oder Unterbrechungen ermöglicht werden, einen Ausbildungsabschluss zu erreichen.

Um sich an die veränderten Arbeitsbedingungen in der Zukunft anzupassen, betonen die Autoren der Studien die Wichtigkeit der Weiterbildung. Dieses gilt zunächst für alle Beschäftigungsgruppen. Aber besonders für Geringqualifizierte, die drei Mal weniger als Hochqualifizierte an Weiterbildungen teilnehmen (6,7% im Vergleich zu 22,5% vgl. Bertelsmann Stiftung, 2015).

In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich auf die Frage eingehen, wie weit die Digitalisierung bereits in Deutschland fortgeschritten ist und welche Folgen dies zurzeit für den Arbeitsmarkt und insbesondere die berufliche Ausbildung hat.

Quellen:

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016 Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Online verfügbar unter: https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2016/pdf-bildungsbericht-2016/bildungsbericht-2016

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2012). Unzureichende Bildung: Folgekosten für die öffentlichen Haushalte. Online verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Unzureichende_Bildung_Folgekosten.pdf

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2015). Deutscher Weiterbildungsatlas Teilnahme und Angebot in Bundesländern und Raumordnungsregionen. Online verfügbar unter: http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Broschuere_Deutscher_Weiterbildungsatlas_ROR_BL.pdf

Bonin, H., Gregory, T. & Zierahn, U. (2015). Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland. Online verfügbar unter: ftp://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/Kurzexpertise_BMAS_ZEW2015.pdf

Frey, C.B. & Osborne, M.A. (2013). The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? Online verfügbar unter: http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf

Vogler-Ludwig, K., Düll, N., Kriechel, B. & Vetter, T. (2016). Arbeitsmarkt 2030 Wirtschaft und Arbeitsmarkt im digitalen Zeitalter Prognose 2016. Online Verfügbar unter: http://www.economix.org/assets/content/ERC%20Arbeitsmarkt%202030%20-%20Prognose%202016%20-%20Langfassung.pdf

 

Beitragsreihe zu „Was nimmt man mit, wenn man noch nicht weiß wohin die Reise geht?“

Teil 1/4: Digitalisierung verändert die Arbeit

Teil 3/4: Digitalisierung und ihr Einfluß auf Arbeit Heute

Teil 4/4: We cannot predict the future, but we can prepare for it

 

 



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