Auswahlverfahren – sind perfekte Noten wirklich alles?

Mein Name ist Aleksandra Spirovska, ich bin 19 Jahre alt und absolviere derzeit meine Ausbildung zur Industriekauffrau bei Bertelsmann SE & CO KGaA. Momentan bin ich in der Bertelsmann Stiftung im Programm „Lernen fürs Leben“ eingesetzt. Jeder Azubi hat sich auf dem Weg zur Einstellung dem Auswahlverfahren stellen müssen. Aber wie läuft das eigentlich ab? Welche Kriterien müssen für das Ziel, die Ausbildung zu starten, erfüllt werden?

Ich erinnere mich noch an das Ende der elften Klasse. Jede/r Schüler/in stelle sich die Frage: „Ein Studium oder doch lieber eine Ausbildung?“ Letztendlich entschied ich mich für die Ausbildung. Es gab ein Bertelsmann-Azubi-Projekt, das jährlich an meiner damaligen Schule stattfand und eben dies trug zu meiner Entscheidung bei: Durch dieses Projekt wurde nicht nur mein Interesse für den Beruf „Industriekauffrau“ geweckt, sondern auch der Wunsch, diesen Beruf und die Ausbildung bei Bertelsmann zu absolvieren. Mit diesem Ziel vor Augen habe ich mir nun noch mehr Sorgen um meine Noten gemacht: „Sind sie gut genug? Was ist überhaupt gut genug für so ein großes, internationales und bekanntes Unternehmen?“ So war es mir umso wichtiger hart zu Arbeiten, mich gut darauf vorzubereiten und mich natürlich selbst positiv weiterzuentwickeln, damit mein Wunsch, eine Ausbildung bei Bertelsmann zu machen, nicht an meinem Notenschnitt scheitert.

Zeichnen ausschließlich Schulnoten einen guten Azubi aus?

Wie üblich habe ich mich bei mehreren Unternehmen beworben und somit weitere Einstellungstests absolviert. Des Weiteren haben sich außer mir viele meiner Klassenkameraden beworben, bei denen der eine oder andere eine Absage erhielt. Da kamen mir zum ersten Mal die Gedanken in den Kopf: „Wieso legen Unternehmen heutzutage so viel Wert darauf, beispielsweise in Mathe, mindestens die Note „gut“ zu haben? Sagt das irgendwas über mich als künftige Auszubildende aus? Wissen die Unternehmen heutzutage eigentlich, welchen Stoff wir im Mathematikunterricht täglich lernen? Ich meine, ist es für meinen späteren Beruf als Industriekauffrau tatsächlich relevant, x-Funktionen ausrechen zu können? Kann man einen Menschen tatsächlich aufgrund seiner schulischen Noten beurteilen?“ Selbstverständlich sollte man für eine Ausbildung gewisse Grundlagen mitbringen, keine schlechten Noten haben und auch eine fundierte Grundbildung für die Ausbildung besitzen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass immer mehr Unternehmen den Schülerinnen aufgrund nicht perfekter Schulnoten keine Chance mehr geben. Natürlich kann man die Grundbildung mit Schulnoten gut messen. Denn die Note gibt es nicht nur nach einem kurzen Test, sondern erwirbt durch diversen Leistungsnachweise – mündlich wie schriftlich. Wer z.B. in Sprachen gut war, muss eine gewisse Disziplin aufgebracht haben. Und Mathe-Genies sind meistens sehr stark im logischen Denken. Deshalb: selbstverständlich sagen Schulnoten einiges aus – aber eben nicht alles.

Ein gutes Auswahlverfahren besteht nicht nur aus Wissenstests

Dennoch waren die Einstellungstests der Unternehmen selbstverständlich nicht identisch. Die meisten jedoch hatten ein klares Schema: ca. 4-stündiger Test und danach folgte (wenn bestanden) das Vorstellungsgespräch. Das Auswahlverfahren bei Bertelsmann dagegen lief anders ab. Selbstverständlich absolvierten wir auch hier einen Einstellungstest, der ca. 1,5 Stunden ging. Danach folgte ein Gruppengespräch, in dem ca. 5 Bewerber über ein vorgegebenes Thema diskutiert haben. Wenn man diesen ersten Tag erfolgreich bestanden hat, folgte das Vorstellungsgespräch. Und genau dieser Ablauf war für mich total interessant, weil hierbei Teamfähigkeit, Ausdrucksvermögen und Selbstsicherheit im Vordergrund standen. Natürlich brauchte man auch hier das Fachwissen, um den Einstellungstest überhaupt zu bestehen. Darüber hinaus hatte ich aber das Gefühl, dass auch viel Wert auf andere Fähigkeiten gelegt wird. Viele Menschen haben enorme Kompetenzen, die oft sehr hilfreich für den Beruf sein könnten. Sie werden aber dennoch wegen der einen oder anderen schlechte Note von vorne herein abgelehnt. Meiner Meinung nach kann man eine/n zukünftigen Auszubildende/n nicht ausschließlich nach den schulischen Noten beurteilen.



Kommentare

  1. / von Uwe Mergel

    Sagen Noten in Zeugnissen und Ergebnisse von Tests wirklich alles über Schüler, Bewerber für Ausbildung, Studium oder Arbeit aus? Ich meine nein, oft haben Menschen auch mit schlechten Papieren viele ungenutzte und nicht von Elternhaus und Schule erkannte Schätze und Talente, oft wurden die sogar unterdrückt durch ungünstige soziale Rahmenbedingungen. Wozu gibt es eigentlich bei Ausbildung und Arbeit meist voll angesetzte 6 Monate Probezeit, sollte man da bei angeblichem Fachkräftemangel nicht auch machen lern- und arbeitswilligen Menschen ihre Chance in Richtung Ausbildung und Arbeit geben. Umgekehrt will man ja tausende Flüchtlinge- Asylbewerber in Arbeit integrieren, die haben ja auch meist keine aussagefähigen Unterlagen. Für gute und sehr gute Schulnoten lernen ja viele Schüler und auch Erwachsene, sie lernen vieles stur und können es dann im Alltag nicht anwenden, es bleibt gepaukte Theorie.
    Aus- und Weiterbildung, auch Auswahlverfahren müssen sich schnell verändern, der Zeit anpassen, auch einer zunehmend alternden Gesellschaft mit weniger perfekten Bewerbern. Ich selber habe viele Auswahlverfahren bei Bewerbungen erleben müssen, wo ich mich fragte, wofür hast du dich hier beworben, kann das normal sein. Man sollte bei Bewerbern mehr gemeinsam mit der Person auf Schatzsuche gehen, sich dafür Zeit nehmen.

  2. / von Aleksandra Spirovska

    Sehr geehrter Herr Mergel,

    vielen herzlichen Dank für Ihr Kommentar.

    Ich bin ganz Ihrer Meinung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Aleksandra Spirovska

  3. / von Michael Zech

    Ob nun mit oder ohne Bachelortitel – jeder hat die Möglichkeit seine beruflichen Ambitionen zu verwirklichen. Wer früher mit der Ausbildung beginnt, kann schließlich auch früher von beruflichen Erfahrungen profitieren. Ein früher Arbeitseinstieg verleiht außerdem eine grundlegende Bodenfestigkeit und ein besseres Gefühl vernünftig mit Geld umzugehen.
    Gemäß vieler Meinungen befragter Studenten und Abiabgänger, könnte man fast meinen, dass es mittlerweile selbstverständlich geworden ist, über einen Bachelor oder einen Mastertitel zu verfügen – sehr schade! Schließlich hat solch ein Titel kaum etwas mit persönlicher Reife zu tun, sondern eher etwas mit Fleiß und Disziplin. Egal ob Masterabsolvent, oder Abiabgänger, wer sich fleißig am Arbeitsmarkt einbringt, hat meiner Meinung nach auch gute Chancen aufzusteigen.
    Und auch wenn die Noten an manchen Stellen nicht ganz stimmen. Manche Arbeitgeber erkennen trotzdem, dass Fleiß, Ehrgeiz und Disziplin entscheidenende Faktoren für den beruflichen Werdegang sind, und sogar durchaus wichtiger als unsere Schulnoten auf einem Blatt Papier. Solche Motivationsausschreibungen kann ich nur befürworten, s. Infos zu vertrieb ausbildung….Abgesehen von den vielen Pro und Contra Kriterien sind ein sicherer Arbeitsplatz, ein verständnisvoller Vorgesetzter und nettes Kollegium, Grundvorraussetzungen für unsere Zufriedenheit am Arbeitsplatz!

Kommentar verfassen