Europawahl 2014: Weiterbildung als Top Thema?

Das jedenfalls fordert die European Civil Society Platform on Lifelong Learning (EUCIS-LLL) angesichts der dramatischen Ergebnisse von PIAAC in ihrem Manifesto „Building together the future of learning“ (s. rechte Spalte), welches auf der diesjährigen Lifelong Learning Week im Dezember in Brüssel Mitgliedern des europäischen Parlamentes und der interessierten Fachöffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Unterzeichnung des Manifests durch MEP Doris Pack, Heinz K. Becker, Marisa Matisa und Emer Costello kann hier als ein erster Erfolg gewertet werden.

Die Dachorganisation von 33 Europäischen Bildungsverbänden fordert hierin – analog zum auf diesem Blog vorgestellten ABC der Weiterbildung der Zukunft – die Beförderung von Lerner zentrierten pädagogischen Innovationen (z. B. in Form von digitalen adaptiven Lernformen),  den Ausbau und die Vernetzung von Bildungsberatungsdiensten,  sowie die Verbreitung von europäischen Tools zur Vergleichbarkeit von Lernergebnissen (mit besonderem Fokus auf die Anerkennung non-formalen und informellen Lernens). Weitere Forderungen umfassen die kontinuierliche pädagogische Fort- und Weiterbildung von Bildungspersonal (Lehrer, Dozenten, Trainer, Bildungsberater), die Fokussierung der Weiterbildung speziell auf die Kernkompetenzen des Lebenslangen Lernens auch und gerade für Risikogruppen sowie die generelle Überbrückung der Distanz der EU von seinen Bürgern. Angesichts der Aufmerksamkeit nach PISA nun auch PIAAC genossen hat, werden die bei der Europawahl 2014 antretenden Parteien und Kandidaten auch an Ihrer Positionierung zu diesen Forderungen zu messen sein.

Den Fokus auf Risikogruppen, darunter vor allem Geringqualifizierte, Arbeitslose und Migranten, setzte auch Dana Bachmann von der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Commission (DG-EAC) in ihrer Präsentation der PIAAC-Ergebnisse. Dies ist auch für Deutschland ein wichtiges Signal, liegen wir doch von allen erfassten Staaten auf dem drittletzten Platz was die Lesekompetenz von Arbeitslosen angeht und auf dem sechst-letzten was die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt betrifft. In der anschließenden Diskussion in der Repräsentanz Bayerns in Brüssel wurden verschiedene Good Practices vorgestellt. Eine schwedische Kampagne zum Beispiel organisiert erfolgreich Studierzirkel zu Computer- und Internetkenntnissen, die bei begrenzten Kosten (ca. 50 € pro Person) ein Vielfaches an gesamtwirtschaftlichem Nutzen erzielen (ca. 4.000 € pro Person). Es wird interessant sein zu prüfen, ob die Ergebnisse dieser und anderer Anstrengungen sich bei Folgerunden von PIAAC auch in einer Verbesserung der Kompetenzen abbilden lassen. PIAAC wird bis 2016 zunächst um einige Länder erweitert werden. Namentlich Griechenland, Litauen, Slowenien, Chile, Israel, Neu Seeland, die Turkei, Indonesien und Singapur.

Die Messung von Fortschritt im Lebenslangen Lernen war auch das Thema einer eigenen Paneldiskussion bei der neben PIAAC und den European Lifelong Learning Indicators (ELLI) der Bertelsmann Stiftung auch andere Messansätze wie das vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung koordinierte Projekt Benefits of Lifelong Learning (BeLL) besprochen wurden. Hierbei standen die Forderung nach stärkerer Verwendung bisheriger Indikatoren für die Sensibilisierung des national Verantwortlichen genauso im Vordergrund, wie der Wunsch nach einer balancierten und angemessenen Berücksichtigung auch der Lernergebnisse, die über die bisher im PIAAC erfassten Kompetenzen hinaus gehen.

Schließlich wurden auf dem zweiten Treffen der EUCIS-LLL Task Force zur Validierung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen Ideen und Positionen zu den nationalstaatlichen Bemühungen der Entwicklung und Etablierung von Anerkennungs-Systemen geschärft und gebündelt. Diese werden anschließend für den Diskurs z. B. in der EQF advisory group aufbereitet, die die Kommission bei der Beurteilung für Umsetzung des 2018-Ziels unterstützt. Besonders interessant waren einige Beiträge von Vertretern der insgesamt 45.000 Bildungseinrichtungen, die die Plattform bündelt. Es wurde zum Beispiel Skepsis an den Resultaten des European Inventory on Validation of informal and non-formal learning geäußert. Einige Staaten werden hier generell als sehr weit fortgeschritten diagnostiziert, was aber teilweise bei den Weiterbildungsanbietern vor Ort als nicht wahrnehm- oder gar nachvollziehbar gesehen wird. Des Weiteren wurde auch in dieser Runde die große Zurückhaltung einiger Nationalstaaten bzgl. der Bereitschaft und des Engagements zur Umsetzung des 2018-Ziel gerügt.

Als Fazit lässt sich sagen, dass besonders zum Thema Kompetenzanerkennung ein Austausch auf Europäischer Ebene vielversprechend scheint, da einerseits die EU hier einer der größten Treiber ist und andererseits Good Practice Umsetzungskonzepte aus den Nationalstaaten sinnvollerweise auch über Zivilgesellschaftliche Kanäle in das Bewusstsein der jeweils Verantwortlichen in anderen Nationalstaaten gelangen können. Das Netzwerk EUCIS-LLL bietet hierbei eine gute Schnittstelle zwischen Europa und den Nationalstaaten.

Aber auch die Mitglieder des europäischen Parlaments können hier vermittelnd wirken. Man darf also gespannt sein, ob die Kandidaten der Europawahl 2014 tatsächlich den Weckruf von PIAAC gehört und Weiterbildung als eines der zentralsten Themen der nächsten Jahre erkannt haben.

Over and Out.



Kommentare

  1. / von Liesa H

    „Als Fazit lässt sich sagen, dass besonders zum Thema Kompetenzanerkennung ein Austausch auf Europäischer Ebene vielversprechend scheint…..“ – heere Worte und viel Theorie, die erfahrungsgemäß in der Realität anders aussieht. Der Fokus liegt auch m.E. zu stark auf Migrationshintergrund und Computer-Kompetenz. Was ist mit den vielen Kompetenzen die Best-Ager mitbringen, und die in der Realität leider zu oft gegenüber Nachwuchskräften sowohl monetär wie auch qualitativ auf der Strecke bleiben?

    1. / von Martin Noack
      zu

      Deutschland steht hier in der Tat vor einer großen Herausforderung. Ein Kompetenzanerkennungssystem wie es die EU von Deutschland bis 2018 fordert, ist nur dann hilfreich, wenn es in der Praxis verwendbar ist und sich letztlich auf alle berufsrelevanten Kompetenzen erstreckt. Dies muss im engeren Sinne fachliche Kompetenzen genauso umfassen wie sogenannte „transversale Kompetenzen“, also z.B. soziale und emotionale Kompetenzen oder strategische und Prozesskompetenzen. Eine Grundlage für ein solches System sollte eine Aufschlüsselung von Berufstätigkeiten in die jeweils erforderlichen Kompetenzen bilden. Dann spielt es keine Rolle wer Träger dieser Kompetenz ist, Ältere oder Jüngere, Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, formal Gering- oder Hochqualifizierte. Und ebenso ist die Herkunft der Kompetenz irrelevant, ob informell, non-formal oder formal erworben.

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