Flüchtlinge im Abseits – In was für einer Welt lebe ich eigentlich?

Ein Beitrag von Björn Hesse und Julia Behrens.

Das frage ich mich in letzter Zeit ziemlich oft. Was da in Köln passiert ist, ist unfassbar. Und was kurz vorher über die Zustände in Flüchtlingsheimen in Deutschland publik geworden ist, macht mich weitgehend sprachlos. Das sind Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu uns kommen, die sich durchgeschlagen haben und sich, endlich bei uns angekommen, in Sicherheit wähnen – nur um sich in widrigsten Umständen wiederzufinden. Bei uns. In Deutschland. Unfassbar.

Das ist nicht die Welt, wie ich sie mir vorstelle. Ich möchte in einer Welt leben, die jedem Menschen die Chance gibt die beste Version seiner selbst zu sein. Und ich glaube fest daran, dass das möglich ist. Eine Kollegin erzählte mir neulich, dass in ihrem Heimatdorf vor einiger Zeit eine Gruppe von Senegalesen angekommen sei. Das wurde wohl von vielen zuerst kontrovers diskutiert: Was machen wir mit denen? Die passen doch gar nicht hierher! Die bringen alles durcheinander und klauen bestimmt.

Entsprechend groß waren also die Vorbehalte. Was aber passierte war, dass die jungen Männer vom afrikanischen Kontinent sich als ziemlich gute Fußballer erwiesen. Und auf einmal gab es eine Gemeinsamkeit. Die vermeintlich fremdartigen neuen Nachbarn waren gar nicht so fremd und wurden langsam in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Da wurde zusammen gekocht, bei Behördengängen unterstützt, gemeinsam Deutsch gelernt. In so einer Welt möchte ich leben.

So weit so gut. Wie unangepasst die deutsche Bürokratie ist, zeigt sich leider bereits wenn die jungen Männer nicht nur mittrainieren wollen, sondern sich auch sportlich messen wollen. Die Ausstellung eines Spielerpasses, der in Deutschland notwendig ist um an offiziellen Spielen, egal in welcher Liga, teilzunehmen, gestaltet sich als extrem schwierig und kann sich über mehrere Monate hinziehen. Welchen Eindruck dies hinterlässt, wie demotivierend, unverständlich und frustrierend das für den Betroffen ist, lässt sich leicht nachvollziehen. Der einzelne Flüchtling ist zwar dabei, aber richtig „mitspielen“ darf er nicht.

Die gleiche Situation finden wir auch auf dem Arbeitsmarkt. Im Koalitionsvertrag wurde ja angekündigt das Arbeitsverbot für Flüchtlinge von neun Monaten auf drei Monate abzusenken. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch ist es den Flüchtlingen wirklich erlaubt auf dem Arbeitsmarkt „mitzuspielen“? Ist dies überhaupt möglich, wenn ihre Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsdauer zeitlich beschränkt sind? Wenn sie es in Deutschland, wie Menschen mit Migrationshintergrund allgemein, beruflich noch immer schwerer haben als Menschen ohne Migrationshintergrund?

Ein Schritt um das endlich zu verbessern kann die Anerkennung von Kompetenzen sein. Die meisten Menschen, die nach Deutschland kommen, bringen Vorerfahrungen mit. Sie haben in ihrem Heimatland gearbeitet, eine Ausbildung gemacht, Kompetenzen aufgebaut, auch wenn uns die Debatte um Armutszuwanderung oft ein anderes Bild zeichnen will. Für Zuwanderer würde das bedeuten, dass sie sich in einem niedrigschwelligen Verfahren ihre Vorerfahrungen und Kompetenzen bestätigen lassen könnten und damit schneller den Weg in den Arbeitsmarkt finden könnten um auf eigenen Beinen zu stehen. Im europäischen Ausland geht das häufig schon seit Jahren und ist fester Bestandteil des Bildungs- und Beschäftigungssystems. Kanada und Australien als traditionelle Einwandererländer haben solche Systeme schon in den 1990er Jahren sehr erfolgreich etabliert.

Das Anerkennungsgesetz (BQFG), das vor zwei Jahren in Kraft getreten ist, bietet einen guten Ansatzpunkt um die Anerkennung von Kompetenzen zu ermöglichen. In Deutschland tun wir uns mit dem Gedanken aber immer noch ein bisschen schwer. Das ist schade, denn Kompetenzen anzuerkennen bedeutet nicht automatisch, dass wir unser komplettes Bildungssystem unterminieren. Es kann aber Perspektiven für Menschen eröffnen, die bei uns im Moment noch keine Perspektiven haben. Für eine Gruppe junger Senegalesen in Süddeutschland zum Beispiel, die sich gerne einbringen würde, aber nach geltendem Recht erst einmal neun Monate auf dem Abstellgleis verbringen muss. Um dann unter Umständen zu erfahren, dass Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt bei uns frappierend schlecht sind. Dass sie zwar noch so gut Autos reparieren können, aufgrund formaler Regelungen aber keine Anerkennung dessen möglich ist.

Noch nicht. Aber wie gesagt, ich glaube daran, dass es möglich ist eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch die Chance hat die beste Version seiner selbst zu werden. Und daran arbeite ich. Jeden Tag.



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