Berufsbildung in Hamburg ein Modell für Ballungszentren

Berufsbildung ist ein Thema, das im Schatten der großen Politikdebatten steht. Selten auf Wahlplakaten, kaum mal in den Schlagzeilen. Außer, wenn massenhaft Ausbildungsplätze fehlen. Dann sieht man Minister auf Werbetour durch die Betriebe. Politik vermittelt sich eben über Symbole. Die eigentliche politische Arbeit spiegelt das nur unzureichend wider. Die besteht vor allem darin, das Berufsbildungssystem jenseits der betrieblichen Lehre zu gestalten.

Das klingt natürlich nicht so sexy. Ist aber wichtig. Erstens für die Jugendlichen, die von der Schule kommen und einen Beruf erlernen möchten. Sie stehen an einer ganz entscheidenden Weggabelung ihres Lebens. Und zweitens für die Wirtschaft. Die ist angewiesen auf genügend gut ausgebildete Nachwuchskräfte. Wie es um die Chancen von Jugendlichen und Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt bestellt ist, entscheidet natürlich nicht die Politik allein. Das hängt ab von Konjunktur, Wirtschaftsstruktur, Demografie und vielem mehr. Aber die Landespolitik hat einen größeren Einfluss, als viele vielleicht denken.

Wie groß, das zeigt der Ländermonitor berufliche Bildung der Bertelsmann Stiftung. Etwa, wenn man Bayern und Baden-Württemberg vergleicht. Oder wenn man sich die drei Stadtstaaten genauer anschaut. Die unterscheiden sich zwar in mancher Hinsicht, aber vieles haben Berlin, Bremen und Hamburg gemeinsam: hohe Arbeitslosigkeit, hoher Migrationsanteil, viele Großbetriebe, wenig produzierendes Gewerbe, große Dienstleistungsbranche. Hinzu kommt für alle drei Städte die Herausforderung, dass nicht nur ihre eigenen Jugendlichen auf den Ausbildungsmarkt drängen, sondern zusätzlich Pendler aus dem Umland.

Drei Stadtstaaten – drei einzigartige Berufsbildungssysteme

Trotz dieser Gemeinsamkeiten hat jeder Stadtstaat eine andere Spitzenposition: Hamburg hat das größte duale System aller Bundesländer. Nirgendwo erlangt ein so hoher Anteil der Jugendlichen, die neu ins Berufsbildungssystem einsteigen, einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Berlin hingegen hat das größte Schulberufssystem in Deutschland. Nirgends startet ein so hoher Anteil der Jugendlichen seine Lehre eben nicht in einem Betrieb, sondern als vollschulische Ausbildung. Bremen wiederum hat eines der größten Übergangssysteme. In kaum einem anderen Bundesland landen anteilig so viele Jugendliche in vorbereitenden Maßnahmen, die im günstigsten Fall die Aussichten auf eine spätere Ausbildung erhöhen.

Was die Politik in Hamburg bewegt hat

Warum ist das so? Tradition, gewachsene Strukturen? Nicht so ganz. Wie Hamburg seine Berufsbildungspolitik zum Modell für Ballungszentren gemacht hat, hat mein Kollege Lars Thies in seinem Blog-Beitrag schon mal skizziert. Die Hansestadt hat ihr Übergangssystem innerhalb eines Jahrzehnts um 60 Prozent verkleinert und alle Berufsfachschulen aufgelöst, die keinen beruflichen Abschluss ermöglichen. Die Regierung hat zudem massiv in Berufsschulen und berufsvorbereitende Maßnahmen investiert. Und Hamburg hat eine Jugendberufsagentur gegründet, die unter ihrem Dach alles anbietet, was Jugendliche an Infos und Unterstützung brauchen, wenn sie vor der Entscheidung stehen, welchen Beruf sie erlernen.

Resultat: Das duale System wächst nicht nur in Relation zur vollschulischen Ausbildung und zum Übergangssystem. Es wächst auch in absoluten Zahlen. Die Zahl der jungen Menschen, die eine betriebliche Ausbildung beginnen, stieg in Hamburg seit 2005 um fast 25 Prozent. Während der Bundestrend in dieser Zeit ein Minus von 5 Prozent ausweist. Berlin sogar minus 10 Prozent. Das erstaunliche daran: Die rechnerische Chance auf eine Lehrstelle ist in Bremen und Berlin höher als in Hamburg, wo das Verhältnis zwischen Lehrstellen-Angebot und -Nachfrage eher ungünstig für die Jugendlichen ist.

Was von Berlin zu lernen ist

Auch wenn viel über den Föderalismus geschimpft wird (gerade in der Bildungspolitik wird oft das Wort vom Flickenteppich bemüht): Er lässt Experimente in einem begrenzten Raum zu, von dem alle anderen Bundesländer lernen können. Wenn sie denn wollen. In einem Punkt wäre es Bremen und Hamburg ganz besonders angeraten, genauer nach Berlin zu schauen. Während nämlich in den beiden Hansestädten Ausländer bei der Suche nach einer Lehrstelle gegenüber ihren deutschen Mitbewerbern so stark benachteiligt sind wie in keinem anderen Bundesland, ist Berlin in diesem Punkt unter den Top 3 in Deutschland. Obwohl in Berlin (35 Prozent) kaum weniger 15- bis 24-Jährige mit Migrationshintergrund leben als in Bremen und Hamburg (38 Prozent).



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