Bildungsbericht zeigt Ungleichheit in der Weiterbildung auf: Es kommt nur weiter, wer es bereits im Arbeitsleben geschafft hat

Glaubt man den Autoren des Bildungsberichts, so ist das Ziel beruflicher Weiterbildung die Sicherstellung von Fachkräften, damit Prozesse in Unternehmen effizient ablaufen können. Damit erfüllt Weiterbildung eine wichtige soziale Funktion, denn sie bringt Menschen und Aufgaben zusammen. Neben individueller Zufriedenheit entsteht so im besten Fall gesellschaftlicher Wohlstand. Idealerweise sollten daher alle sozialen Gruppen gleichermaßen die Chance auf Weiterbildung haben.

Wie ist es also um soziale Ungleichheiten bei der Weiterbildungsbeteiligung bestellt – Antworten auf diese Frage liefert der Bildungsbericht 2014. Er zeigt, dass die Möglichkeit an Weiterbildung teilzunehmen, um die eigenen Chancen auf eine angemessen bezahlte und ansprechende Arbeit zu finden, am Ende von wenigen kritischen Faktoren abhängt. Vor allem die Erwerbstätigkeit erweist sich dabei als Schlüsselfaktor zur Teilnahme an Weiterbildung, als Ausgangspunkt individueller Kompetenzentwicklung und als Eintrittskarte in die vielfältige Welt praxisnahen informellen Lernens.

 

Entscheidend für die Teilnahme an Weiterbildung ist der Erwerbstatus

Dem Bericht zufolge ist der Erwerbsstatus entscheidend für die mögliche Teilnahme an Weiterbildung: Wer einen Beruf hat, dessen Chancen teilzunehmen sind ungleich höher. Dies zeigt, dass Lebenslanges Lernen nicht allein das Ergebnis persönlicher Anstrengung ist, sondern von vorhandenen Gelegenheitsstrukturen abhängt: Wo keine Weiterbildungsangebote, da auch keine Weiterbildungsteilnehmer.

Insbesondere die betriebliche Weiterbildung ist dabei Taktgeber für das Entstehen von Weiterbildungschancen. Am und um den Arbeitsplatz herum ergeben sich fast täglich informelle Lerngelegenheiten. Zu dem weiten Feld betrieblicher Weiterbildung ist Nichterwerbstätigen und auch Geringqualifizierten der Zugang allerdings versperrt. Das bedeutet aber auch: Nur wer bereits qualifiziert ist, kann seine Qualifikationen praktisch auf- und ausbauen. Gerade die Personen, denen Weiterbildung helfen würde weiter zu kommen, haben in diesem System das Nachsehen.

Die Steigerung der Weiterbildungsteilnahme von 42% auf 49% von 2010 auf 2012 – erstmals wieder seit 1997 – ist vor diesem Hintergrund trügerisch. So könnte die Erhöhung nicht auf einer verstärkten Teilnahme bisher bildungsferner Gruppen beruhen, sondern ein Effekt einer verbesserten Beschäftigungsstatistik sein: Denn mehr Beschäftigte führen zu höherer Teilnahme an beruflicher Bildung, so zumindest die Schlussfolgerung des Bildungsberichts.

 

Berufliche Weiterbildung ist der Schlüssel zur individuellen Kompetenzentwicklung

Dabei ist die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung der Schlüssel zu individueller Kompetenzentwicklung. Personen, die überhaupt an Erwachsenenbildung teilnehmen, haben „deutlich höhere“ Durchschnittswerte der bei PIAAC gemessenen Kompetenzen. Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung (284 PIAAC Punkte) schneiden im Vergleich mit Teilnehmern allgemeiner Weiterbildung  (276 PIAAC Punkte) nochmals besser ab. Ein Zusammenhang zwischen beruflicher Aktivität und Kompetenzentwicklung liegt damit auf der Hand. Vor allem dem informellen Lernen am Arbeitsplatz kommt hier eine Bedeutung zu.

Informelles Lernen – z.B. in Form von Berufserfahrung – ist zusammen mit der Weiterbildung für 55% (13% davon Weiterbildung) aller Befragten der BIBB/BAuA Erhebung die Hauptquelle aller aktuell beruflich benötigten Qualifikationen. Zwischen den Berufsgruppen gibt es hier allerdings große Unterschiede: Bei Hilfskräften fällt dieser Wert auf 48% (4% davon Weiterbildung) während er bei Führungskräften bis zu 77% (21% davon Weiterbildung) beträgt. Auch diese Zahlen zeigen, dass Weiterbildung und informelles Lernen gerade dort Mangelware sind, wo sie am nötigsten gebraucht werden: Bei Nichterwerbstätigen und Geringqualifizierten.

 

Das Gebot der Stunde: Die Vorteile von Weiterbildung auch Nichterwerbstätigen und Geringqualifizierten zugänglich machen

Weiterbildung und informelles Lernen am und um den Arbeitsplatz sind die wichtigsten Grundlagen beruflicher Qualifikation. Sie erreichen bisher aber nur die Gruppen, die bereits im Beruf stehen. Nichterwerbstätige, Geringqualifizierte und Migranten haben von betrieblicher Weiterbildung zumeist nichts. Die Einbindung dieser Gruppen ist aber laut der Autoren des Berichts das „Gebot der Stunde,“ um das Fachkräftepotential auszuschöpfen sowie die die Qualität von Arbeit im unteren Qualifikationsbereich zu sichern. Mit Blick auf die Erkenntnisse des Berichts scheint kein Weg an betrieblich verankerten Formen der informellen Weiterbildung – auch für Nichterwerbstätige – vorbeizugehen. Nur durch diese ist eine praxisnahe und nachhaltige Kompetenzentwicklung von Arbeitskräften möglich. Welche Konzepte hierbei im Vordergrund stehen sollten, ist weiterhin eine offene Frage. Eine verbesserte Anerkennung informell erworbener Kompetenzen könnte in dieser Situation allerdings jenen helfen, deren beruflicher Aufstieg nicht am Können, sondern allein am Fehlen formaler Zertifikate scheitert. Für alle anderen könnte die Aussicht auf eine später mögliche Anerkennung informellen Lernens ein wichtiger Motivator zur Nutzung vorhandener Lerngelegenheiten darstellen.

Link zum Bildungsbericht 2014 – Schwerpunkt Weiterbildung: http://www.bildungsbericht.de/index.html?seite=11132

Link zur BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung: http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Statistiken/Arbeitsbedingungen/Erwerbstaetigenbefragung-2011-2012.html

Link zur PIAAC Studie: http://www.gesis.org/piaac

 

AbbG4-2Bild: CC BY-SA 3.0 DE Deutscher Bildungsbericht 2014
ABB G4-2 S 154 aus Bildungsbericht http://www.bildungsbericht.de/daten2014/bb_2014.pdf

 

 

 



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