Jugendarbeitslosigkeit in Europa – Eine Datenbasis, zwei Studien, unterschiedliche Ergebnisse

Junge Menschen haben es schwer auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Über diese unterdessen nicht mehr ganz neue Erkenntnis berichteten unterschiedliche Medien wie die Welt, Spiegel Online, die FAZ und auch die Tagesschau. Auslöser dafür war die in der letzten Woche erschienene Studie „Youth Unemployment in Europe – Appraisal and Policy Options“. Dabei handelt es sich um eine im Auftrag der Robert Bosch Stiftung vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellte Studie. Neben der bloßen Feststellung, dass junge Menschen in Europa Schwierigkeiten haben einen Job zu finden, geht die Studie jedoch auch den Ursachen auf den Grund und hält politische Empfehlungen bereit. Da unser Projekt „Chance Ausbildung“ unlängst die Studie „Zukunft unsicher. Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich“ mit herausgegeben hat, interessierten mich deren Ergebnisse und Handlungsempfehlungen im Vergleich besonders.

Datenbasis und ausgewählte Länder

Wie die europäische Vergleichsstudie des britischen Institute for Public Policy Research (IPPR), die in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und dem schwedischen Gewerkschaftsbund Swedish Confederation of Professional Employees (TCO) herausgegeben wurde, bezieht sich die Studie des ZEW ebenfalls auf Daten des europäischen Statistikamtes EUROSTAT und der europäischen Arbeitskräfteerhebung (European Labour Force Survey). Beide Studien untersuchen auf empirischer Basis die Ausprägungen und bestimmenden Faktoren von Jugendarbeitslosigkeit und legen dabei unterschiedliche Länderschwerpunkte.

Gemeinsamkeiten

Die Wissenschaftler des ZEWs kommen dabei wie die des IPPRs zu dem Schluss, dass die Jugendarbeitslosigkeit in sämtlichen EU-Ländern mit Ausnahme Deutschlands in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Zu Beginn des Jahres 2013 konnten rund 5,5 Millionen junge Menschen keinen Arbeitsplatz finden.

Zudem kommen beide Studien zu dem Ergebnis, dass die Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern jedoch bereits vor der Finanzkrise angewachsen und schon seit Längerem deutlich höher als die Arbeitslosenquote älterer Erwachsener ist. Auch sind die Autoren sich darin einig, dass die in vielen Ländern jüngste wirtschaftliche Erholung die Arbeitsmarktperspektiven junger Menschen in Europa bislang nicht verbessert hat. Beide wissenschaftlichen Institute vertreten die Ansicht, dass wirtschaftliches Wachstum allein die Probleme des europäischen Jugendarbeitsmarktes nicht lösen kann.

Unterschiede

Die Wissenschaftler des ZEWs sehen in den länderspezifischen Arbeitsmarktregulierungen einen bestimmenden Faktor der Jugendarbeitslosigkeit: Laut ihnen können „die Kosten des Kündigungsschutzes dazu führen, dass weniger Arbeitsplätze neu geschaffen werden“ (Bonin et al. 2014, 5). Gleichermaßen kritisieren die Autoren, dass „gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne, [den] altersbedingten Produktivitätsunterschieden nicht genügend Rechnung“ trügen. In den Medien wurden diese beiden Aussagen vermehrt aufgegriffen und sowohl der Mindestlohn als auch der höhere Kündigungsschutz älterer Beschäftigter im Vergleich zu Berufsanfängern als Beschäftigungshemmnis für junge Europäer beschrieben.

Im Gegensatz dazu kommen die Wissenschaftler des IPPRs zu dem Ergebnis, dass weder Mindestlöhne noch strenge Arbeitsmarktregulierungen zwangsläufig zu mehr Jugendarbeitslosigkeit führen. Arbeitsmarktinstitutionen wie Kündigungsschutz oder Mindestlöhne haben laut diesen keinen eindeutig positiven oder negativen Effekt auf die Jugendarbeitslosigkeit. Der Zusammenhang sei dagegen komplexer: „Ein Berufsbildungssystem mit starker Anbindung an den Arbeitsmarkt hebt negative Effekte von Regelungen zum Schutz von „Insidern“ des Arbeitsmarktes weitgehend auf. Allerdings können arbeitsrechtliche Bestimmungen Unternehmen veranlassen, mit jungen Arbeitnehmern vermehrt befristete Verträge zu schließen. In Ländern, in denen die Mindestlöhne für Jugendliche unter denen für Erwachsene liegen, wirken sie sich nicht auf die Jugendarbeitslosigkeit aus.“ (Bertelsmann Stiftung 2014, 85)

Quintessenz

Während sich die Wissenschaftler in Bezug auf den Einfluss von Arbeitsmarktregulierungen und Mindestlohn uneinig sind, glauben beide nicht, dass das Konzept der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bekannt als „Jugendgarantie“ die Situation der Jugendlichen erheblich verbessert: Die Autoren des IPPR bezeichnen diese als „begrüßenswert“. Zugleich glauben sie jedoch nicht daran, dass diese die tieferen Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit die sich „von Land zu Land wesentlich unterscheiden“ beheben kann (Bertelsmann Stiftung 2014, 14). Das ZEW bezeichnet die Jugendgarantie als einen „anspruchsvolle[n] und potenziell kostspielige[n] Ansatz“ und schlägt stattdessen vor, Arbeitsmarktmaßnahmen so zu gestalten, dass diese „sich eher auf zielgerichtete Instrumente konzentrieren, die speziell auf die bedürftigsten Gruppen ausgerichtet sind“ (Bonin et al. 2014, 4).

Einig sind sich die IPPR- und die ZEW-Wissenschaftler darüber, dass die Ausgestaltung der Bildungs- und Ausbildungssysteme für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit von wesentlicher Bedeutung ist: Je stärker Praxiserfahrungen in die Ausbildung integriert werden, desto besser sind die Übergangschancen der Absolventen in den Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund schneidet das duale Ausbildungssystem deutscher Prägung, bei dem die betriebliche Praxis ein fester Bestandteil der Ausbildung ist, im Vergleich gut ab. Der Betrieb als Lernort sichert zudem, dass Kompetenzen erlernt werden, die der Nachfrage am Arbeitsmarkt entsprechen.

Weiterlesen

Interessierten an einer ausführlicheren Erläuterungen zur Studie „Zukunft unsicher – Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich“ empfehle ich die zugehörigen Blog-Artikel meines Kollegen Clemens Wieland.

Quellen

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Zukunft unsicher. Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich. Gütersloh 2014.

Bonin, Holger, Maresa Sprietsma und Francesco Berlingieri (2014). Youth Unemployment in Europe – Appraisal and Policy Options, Mannheim.

Bonin, Holger, Maresa Sprietsma und Francesco Berlingieri (2014). Youth Unemployment in Europe – Appraisal and Policy Options. Zusammenfassung, Mannheim.



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