Hintergründe kennen: Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung

Berufliche und akademische Bildung im Umbruch

Die Studierquote hat laut den vorläufigen Ergebnissen des Berufsbildungsbericht 2015 mit 57 % im letzten Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Gleichzeitig wurden erneut weniger Ausbildungsverträge geschlossen und viele Ausbildungsplätze blieben unbesetzt. Sollen wir uns jetzt freuen, dass es Deutschland zu einer international konkurrenzfähigen Akademikerquote gebracht hat? Oder sollen wir dies als weiteres Symptom für eine Krise der dualen Ausbildung beklagen?

Konkurrenzdenken führt nicht weiter

Meiner Einschätzung nach sind dies die falschen Fragen, denn das Denken in einer Konkurrenz zwischen beiden Bildungsbereichen führt nicht weiter. Gleichwohl: Berufsausbildung und Hochschulbildung sind in Deutschland immer noch strikt getrennt. Sie funktionieren nach unterschiedlichen Logiken. Bildlich gesprochen sind diejenigen, die eine Berufsausbildung aufnehmen, auf einem anderen Gleis unterwegs, als diejenigen, die ein Studium beginnen. Übergänge sind für den Einzelnen schwierig denn zwischen den Gleisen fehlen die Weichen.

Stärkung der Durchlässigkeit und sinnvolle Verknüpfung

Doch wie muss ein durchlässigeres Bildungssystem aussehen? Können berufliche und akademische Ausbildungswege sinnvoll verknüpft werden? Wie kann Jugendlichen – auch ohne Hochschulzugangsberechtigung, aber mit abgeschlossener beruflicher Ausbildung und Studienwunsch – der Weg an die Hochschule erleichtert werden? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die Initiative „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“, in der Vertreter von elf Ministerien aus acht Bundesländern sowie die Agentur für Arbeit zusammen mit der Bertelsmann Stiftung an Reformen des Ausbildungssystems arbeiten.

Studie zum Status quo in Sachen Durchlässigkeit

Als gemeinsame Diskussionsgrundlage haben die beiden Professoren Dieter Euler und Eckart Severing die Studie „Durchlässigkeit in der beruflichen Bildung – Hintergründe kennen“ verfasst. In dieser werden zunächst die aktuellen Entwicklungen dargestellt: Zum Beispiel das veränderte Bildungswahlverhalten, die demographischen Einflüsse, die Verberuflichung von Studiengängen und sich wandelnde Qualifikationsanforderungen im Beschäftigungssystem. Anschließend werden die Folgerungen für das Bildungssystem herausgearbeitet und internationale Referenzpunkte für die Gestaltung des Hochschulzugangs aufgezeigt. Zudem werden einige Gestaltungsmöglichkeiten für eine höhere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung aufgezeigt und noch offene Fragen ausgewiesen.

Vom „Entweder-oder“ zum „Sowohl-als-auch“

Von den Ergebnissen dieses entstandenen Hintergrundpapiers ausgehend hat die Initiative in den letzten Monaten ausführlich darüber diskutiert wie jungen Menschen der Übergang zwischen beruflicher und akademischer Bildung erleichtert werden kann. Die daraus entwickelten politischen Forderungen zur besseren Durchlässigkeit und Verzahnung beider Bildungssektoren wird die Initiative am 22. Juni 2015 in Berlin vorstellen. Über diese Veranstaltung und insbesondere die einzelnen Positionen der Initiative werde ich demnächst hier berichten.



Kommentare

  1. / von Silvia Härle

    Die Initiative klingt interessant und es können viele Chancen für junge Menschen darin stecken. Ich habe auch schon davon gehört, dass es neue Möglichkeiten für Studienabbrecher_innen geben soll, mit Anrechnung bereits erbrachter Studienleistungen eine verkürzte Berufsausbildung zu absolvieren. Auch das sind interessante Ideen. Den Veränderungen und den Anforderungen in der beruflichen Welt muss ja Rechnung getragen werden.
    Silvia Härle

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