Studium und Ausbildung für angehende Berufsschullehrer verknüpfen
Die Qualität einer Schule hängt entscheidend von der Qualität der Lehrpersonen ab. In der dualen Ausbildung stehen wir vor einem erheblichen Qualitätsrisiko, weil uns die qualifizierten Lehrkräfte verloren gehen. Bundesweit gilt die Nachwuchssituation bei Lehrpersonen für berufsbildende Schulen im gewerblich-technischen Bereich als besorgniserregend – trotz umfangreicher Werbemaßnahmen und Sonderprogramme. Ein Beispiel: Die Technische Universität Dresden ist die einzige Hochschule in Sachsen, die Lehrkräfte für berufsbildende Schulen ausbildet. In den nächsten fünf Jahren werden an Sachsens beruflichen Schulzentren ca. 850 Lehrkräfte in den Ruhestand gehen – bei weitgehend stabilen Schülerzahlen. Vor allem in den gewerblich-technischen Fachrichtungen gibt es jedoch deutlich weniger Studierende als für den Ersatz nötig wären.
Ein weiteres Problem kommt hinzu: Der klassische Weg zum beruflichen Lehramt führt über das Abitur, eine anschließende Berufsausbildung und schließlich das entsprechende Studium. Dieser Weg dauert sehr lange und kann durchaus Interessentinnen und Interessenten abschrecken. Der direkte Weg vom Abitur ins Studium ist möglich, hat aber den Nachteil der fehlenden beruflichen Ausbildung. Berufliche Praxis wird in diesem Fall über (studienbegleitende) Praktika erworben.
Berufliche Praxis als Schlüsselqualifikation für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen
Die berufliche Praxis, möglichst in Form einer Ausbildung ist für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen wichtig, um die vielgestaltigen und differenzierten Bereiche des beruflichen Lernens zu kennen und die zentrale Fähigkeit zur Reflexion und Empathie zu entwickeln. Berufsbildende Schulen verbinden akademische und nichtakademische Ausbildung. Daher ist es wesentlich, dass ihre Lehrkräfte beide Formen kennen und beherrschen.
Verbindung von Studium und Berufsausbildung
Um die Zeit bis zum Berufseinstieg für Interessenten in Grenzen zu halten und gleichzeitig die Anbindung an die Ausbildungspraxis zu gewährleisten braucht es Modelle, in denen ein Studien- und ein Ausbildungsabschluss parallel erworben werden können. Mit dem ESF-geförderten Pilotprojekt „Kooperative Ausbildung im technischen Lehramt“ (KAtLA) wurde von 2010-2015 unter der Leitung der Professoren Manuela Niethammer und Martin D. Hartmann ein solcher innovativer, interdisziplinärer Studiengang entwickelt und erprobt: Künftige Lehrkräfte haben die Möglichkeit, während eines zwölfsemestrigen Studiengangs neben dem Staatsexamen auch einen Berufsabschluss in einer technischen Fachrichtung zu erreichen. Die berufspraktischen Elemente werden dabei so in den Studienablauf integriert, dass den Studierenden eine systematische Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt im Hinblick auf die eigene Lehrtätigkeit ermöglicht wird.
Evaluationsergebnisse
Betrachtet man die Evaluationsergebnisse [www.wbv.de/artikel/6004478], lässt sich festhalten, dass die KAtLA-Studierenden die Erwartungen an einen berufs- bzw. berufsfeldweiten Einblick einerseits und die Entwicklung berufswissenschaftlicher Kompetenz andererseits erfüllen konnten. Das Wissen zu differenten, berufsfeldtypischen Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten sowie auch branchenspezifischen Arbeitstätigkeiten anderer Berufe lag mehrheitlich über dem der klassisch Studierenden.
Mit Blick auf die berufswissenschaftliche Kompetenz können die KAtLA-Studierenden Instrumente, wie z. B. Betriebsbesichtigungen, Arbeitsprozessstudien bzw. -analysen nutzen, um sich Inhalte heutiger und künftiger beruflicher Arbeit zu erschließen. Diese versetzen die Absolventen zukünftig in die Lage, ihr berufsfeldweites Wissen während ihrer späteren Lehrtätigkeit eigenständig aktuell halten zu können.
Das Dresdner Modell ist einmalig in Deutschland
Das im KAtLA-Lehramtsstudium erworbene Wissen und die praktischen Erfahrungen im dazugehörigen Berufsfeld ermöglichen künftigen Lehrkräften die Gestaltung eines interessanten und arbeitsweltbezogenen Unterrichts. Inhaltlich orientieren sich diese Ausbildungspraktika an den Verordnungen über die Berufsausbildung in einem entsprechenden Beruf. Für die Abiturientinnen und Abiturienten ist speziell die kürzere Ausbildungszeit attraktiv: Statt zwei bis dreieinhalb Jahre Berufsausbildung plus fünf Jahre Lehramtsstudium dauert das kooperative Studium zwölf Semester. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse und die positiven Rückmeldungen aller Beteiligten haben gezeigt, dass KAtLA ein Lösungsansatz für eine qualitativ hochwertige und auf die Zukunft ausgerichtete Ausbildung von Lehrkräften für gewerblich-technische Fachrichtungen an berufsbildenden Schulen darstellt.
Die Möglichkeit über systematisch integrierte Praxisphasen während des Lehramtsstudiums eine berufliche Ausbildung mittels externer Prüfung an der IHK oder Handwerkskammer abschließen zu können, ist bis jetzt noch einmalig in Deutschland. Auch für andere Regionen könnte das Modell aber interessant sein, um einerseits die Qualität der dualen Ausbildung zu gewährleisten und andererseits den Nachwuchs an Berufsschullehrern zu sichern.
Informationen und Kontakt
TU Dresden Fakultät Erziehungswissenschaften
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/erzw/erzwibf/projekte/katla
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