Berufsbildung für eine digitale Arbeitswelt

Das Schlagwort Digitalisierung ist auch in der beruflichen Bildung in aller Munde. Zudem herrscht Einigkeit darüber, dass dies eines der zentralen Themen für die Zukunft der beruflichen Bildung ist. So zentral, dass die Regierung dafür sogar eine Enquete-Kommission eingesetzt hat.

Einigkeit beginnt jedoch schon bei der Frage zu schwinden, was eigentlich mit Digitalisierung gemeint ist: Geht es um die Veränderung von Produktionsprozessen, die in den Ausbildungsordnungen der jeweils betroffenen Berufe ihren Niederschlag finden sollten? Oder geht es um das Lernen mit digitalen Medien, wie den Einsatz von Lern-Apps in der Berufsschule und Virtual-Reality-Brillen in der Lehrwerkstatt? Oder geht es schließlich um die Frage, welche Berufe von der Bildfläche verschwinden werden und welche im Zuge der Digitalisierung neu entstehen?

Allein die Unterschiedlichkeit der Fragen zeigt: Digitalisierung markiert einen komplexen, langfristigen Veränderungsprozess mit ganz unterschiedlichen Facetten und weitreichenden Folgen. Vor einer Diskussion um Sinnhaftigkeit, Möglichkeiten und Grenzen von Digitalisierung in der beruflichen Bildung sollte es also zunächst darum gehen, die angesprochenen Dimensionen klarer zu umreißen und sinnvoll zu strukturieren.

Prof. Dr. Dieter Euler und Prof. Dr. Eckart Severing sind dieser Aufgabe mit einer neuen Studie nachgekommen: Sie formulieren Kernfragen, differenzieren individuelle und normative Aspekte und grenzen unterschiedliche Gestaltungsfelder für die Berufsbildung ab.

Für die Frage der Gestaltung der Berufsbildung wird zunächst zwischen der individuellen und der normativen Ebene unterschieden. Auf der individuellen Ebene geht es letztlich um die Frage: Wie fit sind Jugendliche wirklich im Umgang mit digitalen Medien? Zur Beantwortung werden Forschungsergebnisse zu den kognitiven und affektiven Voraussetzungen von Jugendlichen für das Lernen mit digitalen Medien vorgestellt und bewertet. Dabei werden sowohl die Kompetenzen junger Menschen im Umgang mit den neuen Medien als auch mögliche negative Folgen aus der Alltagsnutzung digitaler Technologien thematisiert. Was betrachtet eine Gesellschaft als wünschenswert im Hinblick auf die digitalen Technologien? Diese Frage berührt die normative Ebene und es geht darum, mögliche Bildungsziele, Berufsbilder und notwendige Kompetenzprofile für das Zeitalter der Digitalisierung zu benennen.

Und was bedeutet die Digitalisierung für Ausbildungsorganisation, Didaktik und Ordnungspolitik? In der Ausbildungsorganisation geht es um Fragen der technologischen Ausstattung, der notwendigen personalen Voraussetzungen für das Lehr- und Ausbildungspersonal sowie um neue Möglichkeiten der Kooperation innerhalb und zwischen den Lernorten Betrieb und berufliche Schule, beispielsweise durch digitale Arbeits- und Lernplattformen.

In der Didaktik geht es um die Frage, wie digitale Technologien als Lerninstrument das berufliche Lernen effektiver bzw. effizienter gestalten können. Dazu werden sowohl Potenziale digitaler Technologien für die Gestaltung von Ausbildungskonzepten erörtert als auch Praxisbeispiele technologieunterstützter Ausbildungskonzepte vorgestellt. Die Betrachtung wird ergänzt durch empirische Befunde über mögliche Effekte in der Anwendung digitaler Technologien.

In der Ordnungspolitik schließlich geht es darum, welche Konsequenzen digitale Technologien für die Gestaltung von Berufsprofilen, Ordnungsgrundlagen und Prüfungsformaten haben.

In einem weiteren Kapitel werden Spannungsfelder an der Schnittstelle von Arbeit und Berufsbildung thematisiert: Inwiefern können die mit Digitalisierung umschriebenen Veränderungen der Arbeitswelt in Widerspruch treten zu den grundlegenden Zielen der Berufsbildung im Sinne der Entwicklung von Handlungskompetenzen und nachhaltiger beruflicher Identität?

Den Abschluss bilden zentrale Herausforderungen der Digitalisierung für die Berufsbildungspolitik:

  1. Bildungsziele für die Vorbereitung auf eine digitale Arbeitswelt klären und präzisieren!
  2. Kompetenzlücken von Schulabsolventen im Hinblick auf zukunftsgerechte Bildungsziele identifizieren!
  3. Kompetenzlücken und Entwicklungspotenziale von Lehr- und Ausbildungspersonal im Hinblick auf die Förderung von zukunftsgerechten Bildungszielen identifizieren!
  4. Möglichkeiten einer technologieunterstützten Kooperation zwischen und innerhalb der Lernorte in der Berufsbildung identifizieren und entwickeln!
  5. Grundausstattung der Lernorte mit digitalen Technologien gewährleisten!
  6. Didaktische Mehrwerte von Formen des technologieunterstützten Lernens in der Berufsbildung begründen!
  7. Technische, personelle und finanzielle Bedingungen der Umsetzung von innovativen Formen des technologieunterstützten Lernens klären!
  8. Konsequenzen der Digitalisierung für die Entwicklung von Berufsprofilen, Ordnungsgrundlagen und Prüfungsformaten begründen!

In Summe liefert die Studie „Berufsbildung für eine digitale Arbeitswelt – Fakten, Gestaltungsfelder, offene Fragen“ eine so informative wie orientierende Grundlage für weiterführende Diskussionen.



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