E-Learning als Angebot der Jugendhilfe

In der Bundesrepublik Deutschland herrscht Schulpflicht. Dies sehen wir als sozialpolitische Errungenschaft. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass bestimmte Kinder und Jugendliche aus regulären Beschulungsverhältnissen herausfallen. Sei es, dass

  • sie längerfristigen Schulausschluss haben,
  • sie sich in intensivpädagogischen Maßnahmen befinden,
  • sie im Ausland betreut werden,
  • sie gerade einen Wechsel der Einrichtung hinter sich haben und in der Eingewöhnungsphase auf der Wohngruppe betreut werden oder
  • weil sie aufgrund anderer Gründe nicht beschult werden.

In diesen Zusammenhängen kann E-Learning eine Chance sein, Bildungs- und Erziehungsprozsse auch dann zu gestalten, wenn die regulären schulischen Bezüge unterbrochen sind. Schulunterbrechungen müssen dann nicht auch noch zu Bildungsverlusten führen.

Diese Grundgedanken haben uns bewegt, um Online Lernen WeltWeit zu initiieren. Dabei schließen wir an ein Projekt an, das vom Kultusministerium Baden-Württemberg über drei Schuljahre (2012 – 2015) gefördert wurde: E-Learning für Schülerinnen und Schüler am Rande der Beschulbarkeit.

Grundlage dieses Projektes war die Erkenntnis, dass schulische Lernprozesse sehr stark von der Beziehung zwischen Schüler:innen und Lehrkräften abhängen. Um diesem Aspekt auch im E-Learning Rechnung zu tragen, wurde ein virtueller Konferenzraum genutzt, der synchrones Unterrichten erlaubt. Die Möglichkeit, den Unterrichtsinhalt aktiv mitzugestalten, hat sich zudem als wichtiges Mittel erwiesen, um die Lernprozesse zu befördern.

Durch die Hattie-Studie wurde der Satz „auf den Lehrer kommt es an“ eindrucksvoll bestätigt. Dies bedeutet, dass die Gestaltung der personalen Beziehung zwischen Schüler:innen und Lehrkräften eine hohe Bedeutung bezüglich des Lernerfolgs hat.

Online Lernen WeltWeit nutzt daher ein virtuelles Klassenzimmer, da dieses die Gestaltung des personalen Miteinanders, die synchrone Kommunikation bei allen damit verbundenen Einschränkungen auch und trotz der damit verbundenen Distanz erlaubt. Die Unterrichtsgestaltung ist individualisiert: dies bedeutet zum einen, dass es sich in der Regel um Einzel- oder Kleinstgruppenunterricht handelt; zum anderen ergibt sich durch dieses Setting die Möglichkeit, Lernstandsdiagnosen informell – im Lernprozess – zu erheben. So können passgenaue Lernangebote entwickelt werden, die die Schüler:innen fordern und in ihrer Entwicklung weiterbringen – sie aber nicht überfordern.

Im konkreten Unterrichtsgeschehen werden die Lerninteressen der Kinder und Jugendlichen erfragt; es geht zunächst darum, ein Arbeitsbündnis zu gestalten und den Schüler:innen zu vermitteln, dass sie erfolgreich und sinnhaft lernen können. Auf dieser Grundlage können weitere Lernschritte vereinbart werden. Ein wichtiger Baustein eines erfolgreichen Lernprozesses ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, d. h. die Überzeugung „ich kann es“. Diesem Ziel dient eine ressourcenorientierte Herangehensweise, die sich an dem Grundsatz orientiert: Stärken stärken. Dies ist elementar, gerade bei Kindern und Jugendlichen, die häufig negative Schulerfahrungen gemacht haben.

E-Learning wird dabei als Brückenangebot verstanden. Damit ist gemeint, dass das E-Learning-Angebot eine Hilfe zur (Re-)Integration in die üblichen Beschulungsmöglichkeiten darstellt. Die Lern- wie Übergangsszenarien können sehr individuell gestaltet werden. Die Unterrichtsangebote können von kleinsten Zeit-Einheiten (eine Viertelstunde pro Tag) bis hin zu regulären Angeboten mit mehreren Stunden und unterschiedlichen Fächern pro Tag gehen. Dies wird mit den Jugendlichen und den Betreuungskräften im Hilfeplan vereinbart.

Beim Übergang in reguläre Beschulungsverhältnisse kann ein klarer Cut geboten sein; es können aber auch fließende Übergänge sinnvoll sein. Dies wird dann so umgesetzt, dass das Online-Angebot abnehmend oder nur noch punktuell stattfindet – vor allem, um den Kindern und Jugendlichen Sicherheit im Übergang zu vermitteln.

Online Lernen WeltWeit ist für junge Menschen gedacht, die bereits Unterstützung durch einen Jugendhilfeträger erhalten. Damit soll gewährleistet werden, dass die technische Infrastruktur (Internetanschluss, PC oder Notebook, Kamera, Headset) vorhanden ist und dass es Hintergrundhilfen gibt, die dafür sorgen, dass die Einwahl verlässlich funktioniert.

Dem Online-Angebot liegt eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem Jugendamt zugrunde. So kann die Finanzierung der Maßnahme über das für die Kinder und Jugendlichen zuständigen Jugendämter erfolgen.

Bei Interesse können Sie sich für weitere Informationen an das BBW Mosbach-Heidelberg wenden: Thorsten.Ringwald@johannes-diakonie.de.



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