Eine integrierte Studien- und Berufsberatung und -orientierung für alle Schularten umsetzen – Forderungen zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung Teil 1/5

Warum Berufs- und Studienorientierung wichtig ist

Der Übergang von der Schule ins Berufsleben spielt eine entscheidende Rolle für die eigene Zukunftsperspektive. Wie mir damals auch fehlt es vielen Schulabgängerinnen und -abgängern jedoch an Orientierung, um sich fundiert für eine Berufsausbildung oder ein Studienfach zu entscheiden. Dass viele Schwierigkeiten mit der richtigen Wahl eines Bildungsgangs haben, zeigen zum Beispiel der hohe Anteil vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge in der dualen Berufsausbildung (2014: 25%) und die hohe Zahl der Studienabbrecher in den Bachelorstudiengängen (2014: 28%). Zu den meist genannten Gründen für einen Studienabbruch gehören falsche Vorstellungen von den Anforderungen und Inhalten. So hätte ich mir damals in der Schule eine Orientierung und Unterstützung bei den ersten beruflichen Schritten gewünscht die über ein zweiwöchiges Praktikum in der 9. Klasse hinausgeht…

Was es bereits gibt und wo die Schwächen liegen

Glücklicherweise ist die Berufsorientierung und die Berufswahlvorbereitung mittlerweile in allen Bundesländern ein fester Bestandteil des Lehrplans in der Sekundarstufe. Jedoch haben diese zwei Schwachpunkte: Die meisten Angebote zur Studien- und Berufsorientierung vermitteln den Schülerinnen und Schülern Wissen zu einem Beruf. Weniger wird dagegen der Frage nachgegangen, was einen dazu motivieren könnte einen bestimmten Beruf zu erlernen. Eine weitere bedeutsame Schwäche ist die, dass der Schwerpunkt der Beratung sich häufig an der Schulform ausrichtet: Während die Abiturienten rund ums Studium beraten werden, erhalten diejenigen mit niedrigeren Schulabschlüssen zumeist lediglich Informationen zu möglichen Ausbildungsberufen. Da ich ein Gymnasium besuchte, war es für mich klar, dass ich im Anschluss studieren werde. Rückblickend betrachtet habe jedoch nicht nur ich, sondern auch einige meiner Studienfreunde bedauert, nicht auch eine berufliche Ausbildung in Betracht gezogen zu haben. Diese Beratung je nach Schulform führt also dazu, dass vielen jungen Menschen wie mir damals auch die Vielzahl der Möglichkeiten nach dem Schulabschluss gar nicht bewusst ist.

Was es mit einer integrierten Studien- und Berufsorientierung auf sich hat

Deshalb setzt sich die Initiative* „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“ in ihrem Positionspapier für eine verpflichtende integrierte Studien- und Berufsorientierung an allen Schulformen ein. Um eine „Kanalisierung“ in die berufliche oder akademische Ausbildung zu vermeiden und die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu stellen, soll an Gymnasien nicht nur über akademische Laufbahnen, sondern auch über Möglichkeiten der Berufsausbildung informiert werden. Umgekehrt muss an beruflichen Schulen über Anschlusswege in die akademische Bildung aufgeklärt werden.

Schritte auf dem Weg zu einer integrierten Studien- und Berufsorientierung

  • Eine erfolgreiche Bildungs- und Berufsberatung muss die Kompetenzen aus Unternehmen, Verbänden, Arbeitsagenturen und Schulen bündeln. Dafür braucht es dauerhaft bestehende Netzwerke zwischen diesen.
  • Damit das schulische Lehrpersonal ihre Schülerschaft bereichsübergreifend beraten kann, muss bei Gymnasiallehrkräften das Berufsorientierungswissen gestärkt werden und Lehrer aus anderen Schulformen (z.B. Mittelschulen, Realschulen, berufliche Schulen) müssen dagegen ihr Wissen über anschlussfähige (Fach-)Studiengänge und verzahnte Modelle ausbauen. Dabei sollen Schulen – ungeachtet ihrer Form – durch die Hochschulen, die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der beruflichen Bildung unterstützt werden.
  • Gymnasien müssen Berufsorientierung und -beratung deutlich stärker in ihr Angebot aufnehmen, als sie dies bisher tun.
  • Allgemein- und berufsbildende Schulen müssen Kooperationsformen finden, innerhalb derer sie sich austauschen können.
  • Eltern müssen stärker in den Beratungsprozess mit einbezogen werden. Denn diese spielen bei der Wahl des weiteren Bildungs- und Berufsweges ihrer Kinder häufig eine wesentliche Rolle. Dabei muss bedacht werden, dass Eltern (aufgrund ihrer eigenen Bildungsbiografie) häufig nur mit einem der beiden Bildungsbereiche vertraut sind – also entweder Hochschule oder Berufsbildung.

Soviel zu der Forderung der Initiative eine integrierte Studien- und Berufsberatung und -orientierung für alle Schularten umzusetzen. Über die vier weiteren Forderungen werde ich hier demnächst ebenfalls berichten.

*Die Initiative „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“, bestehend aus elf Ministerien aus acht Bundesländern und der Bundesagentur für Arbeit sowie der Bertelsmann Stiftung, setzt sich für eine stärkere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung ein. Um diese zu verwirklichen, hat die Initiative gemeinsam das Papier „Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung – Positionen beziehen“ veröffentlicht. Das Positionspapier der sowie weitere Informationen und Publikationen zum Thema sind hier zu finden.

Beitragsreihe zu den Forderungen der Initiative „Chance Ausbildung“ zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung



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