LEARNTEC 2/3 Weiterbildung = Weiterkommen! Wird ICT-gestütztes Talentmanagement die Weiterbildung verändern?

Man stelle sich vor, dass Mitarbeiter in Unternehmen nicht mehr vorrangig als Arbeitskraft, sondern als Träger von Talenten betrachtet würden, deren Entwicklung und Bilanzierung kontinuierlich durch ICT-basierte Systeme beobachtet und gefördert werden. Mitarbeiter wären dann aus Sicht des Unternehmens weniger fertig qualifizierte Experten für bestimmte Tätigkeitsbereiche, sondern flexibel einsetzbare Allrounder. Diese könnten mithilfe sogenannter Talentmanagement-Systeme über verschiedene Tätigkeitsbereiche – aber auch Hierarchiestufen – hinweg als „Talent on Demand“ eingesetzt werden. Ohne kontinuierliche Weiterbildung der Arbeitnehmer ist ein solcher Paradigmenwechsel allerdings kaum vorstellbar.

Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Einführung von Talent-Management-Systemen für Arbeitnehmer hat: Stehen wir am Anfang einer Ära durch Weiterbildung ermöglichter, beruflicher Chancengerechtigkeit, in der das individuelle Können endlich mehr zählt als formale Qualifikationen? Gleiche Karriereoptionen für gleiche Leistung – unabhängig vom Verhältnis zum Chef, sozusagen? Oder erwartet uns eine neue Dimension des Wettbewerbs, bei dem nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern deren kontinuierliche Steigerung durch Weiterbildung zum Kriterium für betriebliche Weiterbeschäftigung wird? Kein „War for Talents“, sondern ein „War of Talents“, der vom Chefbüro aus ICT-gestützt koordiniert wird?

Dass solche Fragen in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, lässt ein Blick auf die wachsende Zahl der Anbieter von Talentmanagement-Systemen auf der Learntec, einer Fachmesse für Lernen mit IT, erwarten. Richtige Talente zu finden, diese Talente weiterzuentwickeln und ihre Leistungen zu messen, steht im Zentrum von Talent-Management-Systemen wie sie z.B. von Firmen wie Lumesse oder Cornerstone angeboten werden.

Dabei sind die Versprechen der Systeme umfassend: Integrated Talent Management bietet von der Rekrutierung über das Entwicklungs- und Performancemanagement bis zur Laufbahn- und Nachfolgeplanung sowie umfassenden HR-Analytics alles, was für Personalabteilungen von Interesse ist, in einer Paket an. Dabei sind die Systeme in die bisherige betriebsinterne EDV wie etwa SAP oder Oracle – nach Aussagen der Anbieter – nahtlos integrierbar.

Die Zahlen, wie sie z.B. von Lumesse im Flyer „Footprint Deutschland 2013“ genannt werden, sind beeindruckend: Über alle Unternehmen hinweg, die das Talent-Management-System des Anbieters einsetzen, wurden im vergangenen Jahr 108.000 Vakanzen, davon 7.800 Schlüsselpositionen, ausgeschrieben und in 65% der Fälle intern besetzt, und fast 966.000 Performance-Pläne abgeschlossen. Laut Kundenbefragung des Anbieters ergeben sich daraus allein für Deutschland bei einer durchschnittlichen Einstellungszeit von 38 Tagen und 45 Bewerbern pro Vakanz 163 Millionen Euro Einsparungen durch schnelleres Recruiting.

Auch der technisch ungeschulte Blick ins System ist spannend: Visualisierte Organigramme der Unternehmenshierarchie, die Positionsveränderungen der Mitarbeiter im Unternehmen in Echtzeit anzeigen, ermöglichen die Planung individueller Karrierepfade sowie die Identifikation zukünftiger Engpässe und passender Besetzungsalternativen. ERP – kurz für Enterprise-Resource-Planning – soll es Führungskräften erlauben, Stellen transparent, effizient und passend zu besetzen sowie nötigen Qualifizierungsbedarf rechtzeitig zu erkennen.

Genau hier kommt die Weiterbildung ins Spiel, denn die Bereitstellung von Lernangeboten aber auch von Autorenwerkzeugen für die einfache Erstellung von E-Learning Modulen wird für die Anbieter von Talentmanagement-Systemen ein zunehmend wichtigerer Markt. So verweist Lumesse in seinem „Footprint Global“ auf über 400 Kunden, an die im Jahr 2012 insgesamt fast 90 Millionen E-Learning Einheiten ausgeliefert wurden. Die Inhalte der erstellten E-Learnings reichen vom Produktionssektor bis hin zum Dienstleistungssektor. Als Good-Practice werden neben einer Weiterqualifizierung von Braumeistern auch verschiedenen Trainings für ein großes Telekommunikationsunternehmen angeführt.

Die Verknüpfung von Weiterbildung mit Talentmanagement-Systemen macht aus technischer und wirtschaftlicher Sicht tatsächlich Sinn, insbesondere wenn sie direkt auf die für das Unternehmen relevanten Kompetenzen der Mitarbeiter zugeschnitten ist zusammen mit einer Kompetenzmatrix erfolgt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber bietet sich so die Chance einer kompetenzbasierten Weiterentwicklung der Mitarbeiter. Gerade in die Entwicklung unternehmensspezifischer Kompetenzmatrizen, welche einen systematischen Überblick über unternehmensrelevante Kompetenzfelder und Kompetenzprofile geben – wird daher beim Aufsetzen eines Talent-Management-Systems viel Energie gesteckt. Das Problem dabei: Gleichzeitig entwickelt sich so eine Vielzahl unternehmensinterner Kompetenzlandkarten, deren externe Übertragbarkeit noch nicht einmal von den Anbietern der Talent-Management-Systeme gewährleistet wird. Außerhalb eines Unternehmens wird die Talentbilanz  eines Arbeitnehmers somit bestenfalls uninteressant und schlimmstenfalls wertlos.

Weiterbildung – wie sie durch den Einsatz von ICT-gestützten Talent-Management-Systemen vorangetrieben wird – wird unumgänglich mit einer Individualisierung der Bildungsplanung für einzelne Arbeitnehmer verbunden sein. Dies bringt eine Vielzahl von Chancen, aber auch Risiken mit sich. Spannend wird sein, ob sich die Versprechen erhöhter Transparenz und Effizienz durch den Einsatz von Talent-Management-Systemen in Zukunft bewahrheiten.



Kommentare

  1. / von Peter

    Gehts den Mitarbeitern gut gehts dem Unternehmen gut. Sind die Mitarbeiter gut und bilden sich stets weiter, sei es Fort- und Ausbildungen oder nur eu Informationen über dies und das, dann kommt auch das Unternehmen weiter. Bildet man sich nicht fort und geht nicht mit der Zeit ist man hinten nach, denn stetig verändern und verbessert sich Wissen und Fähigkeiten, da muss man mit am Ball bleiben.

  2. / von Monika Fischer

    wie wahr!
    Aber auch für Unternehmen wird die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, durch den demographischen Wandel und den daraus resultierenden Fachkräftemangel, immer mehr zu einer Kernaufgabe.
    Außerdem müssen auch die Weiterbildungsbeteiligungschancen, insbesondere von Geringqualifizierten und atypisch Beschäftigten, gesteigert werden.

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