Passungsprobleme: Ausbildungsbetriebe und Jugendliche finden seltener zueinander

Wer sich vor zehn Jahren um einen Ausbildungsplatz bewarb, wusste, dass die Konkurrenz groß ist. Die Zahl der angebotenen Stellen reichte rechnerisch in Deutschland nur für 85 Prozent der Bewerber. Zwar blieben auch damals einige Lehrstellen trotzdem unbesetzt, aber das fiel kaum ins Gewicht. Es waren noch nicht einmal 3 Prozent. Die große Herausforderung hieß: Wie sind die Betriebe zu motivieren, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen?

Heute kommen auf 100 Bewerber immerhin schon 94 Lehrstellen. Demnach hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt rein rechnerisch für die Jugendlichen entspannt. Dennoch gingen 2017 mehr als 17 Prozent der Jugendlichen bei ihrer Suche leer aus. In der Realität hat sich eine neue Herausforderung aufgetan: Das Angebot an Lehrstellen passt zwar quantitativ besser zur Nachfrage, aber Betriebe und Bewerber finden nicht mehr so leicht zueinander, wir sprechen von einem Passungsproblem.

Das heißt: einer wachsenden Anzahl von unbesetzten Ausbildungsstellen stehen zugleich viele erfolglose Bewerber gegenüber. Während der Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze sich bundesweit zwischen den Jahren 2007 bis 2017 von 2,8 auf 8,6 Prozent verdreifacht hat, ist der Anteil der erfolglosen Bewerber im gleichen Zeitraum in deutlich geringerem Maße zurückgegangen: von 17,3 auf 13,3 Prozent. In absoluten Zahlen heißt das: Obwohl fast 49.000 Lehrstellen offen blieben, fanden mehr als 80.000 Bewerber keinen Ausbildungsplatz. Ein weiteres Indiz für Passungsprobleme ist, dass mittlerweile jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst wird.

In manchen Ländern ist die Bilanz des dualen Systems alarmierend

Ein Blick in den Ländermonitor berufliche Bildung 2017 zeigt dabei riesige regionale Unterschiede. In vier Bundesländern sind die Passungsprobleme besonders offensichtlich. In Sachsen-Anhalt, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland ist sowohl der Anteil der offenen Stellen als auch der Anteil der unversorgten Jugendlichen in den letzten Jahren gestiegen.

In Mecklenburg-Vorpommern etwa ist der Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze von 2,9 (2007) auf 14,4 (2017) Prozent förmlich explodiert. Trotzdem kletterte der Anteil der Bewerber, die keinen Ausbildungsvertrag abschlossen, von gut 12 (2007) auf knapp 13 (2017) Prozent. Hinzu kommt, dass die zustande gekommenen Verträge zu einem Drittel vorzeitig beendet werden. Unter dem Strich ist diese Bilanz für das duale System alarmierend und auch eine Gefahr für die Wirtschaft, die dringend gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchs benötigt.

Die Gründe für unbesetzte Stellen und abgebrochene Ausbildungen sind vielfältig. Betriebe führen häufig mangelnde Qualifikation und Eignung der Bewerber an. Letztere wiederum beklagen schlechte Ausbildungsbedingungen. Die Branchen, die laut DGB-Ausbildungsreport unter Jugendlichen als besonders unattraktiv gelten, sind zugleich jene Branchen, in denen laut Bundesregierung besonders viele Lehrstellen unbesetzt bleiben: Nahrungsmittelhandwerk, Fleischer, Bäcker, Gastronomie, Gerüstbauer, Betonbauer oder Gebäudereiniger. Diese Überschneidung ist nicht neu.

Es gibt kein Patentrezept

Wird zusätzlich beachtet, dass vor allem kleinere Betriebe unter Nachwuchssorgen leiden, verwundern die Probleme in Mecklenburg-Vorpommern nicht – einem Land, dessen Wirtschaft von Kleinbetrieben in Nahrungsmittelhandwerk, Tourismus und Gastronomie geprägt ist.

Passungsprobleme hängen demnach von vielen Faktoren ab: Qualifikationsniveau der Bewerber, Anforderungsprofil der Berufe, Attraktivität der Branchen, regionalen Wirtschaftsstrukturen, Nachfragesituation auf dem Ausbildungsmarkt insgesamt. Daher kann es auch kein Patentrezept geben, mit dem die Betriebe und Bewerber wieder leichter zueinander finden.

Trotzdem: Die wachsenden Passungsprobleme sind ein Alarmsignal, gerade in Zeiten, in denen Nachfrage und Angebot auf dem Ausbildungsmarkt ohnehin ein Rekordtief erreicht haben. Es gilt, an allen Ecken und Enden anzupacken, um wieder mehr Jugendliche ins duale System zu bringen.



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