Warum Betriebe in Weiterbildung investieren sollten – ein Blick aus Österreich

Durch die sich rasch verändernden Arbeitsmarktbedingungen und die steigenden Ansprüche an die Kompetenzen von ArbeitnehmerInnen gewinnen Qualifikationen zunehmend an Bedeutung. Daher sollten sie die Möglichkeit haben, über das Lernen am Arbeitsplatz ihre Fähigkeiten weiter auszubauen. Dies trifft umso mehr auf Länder wie Deutschland zu, in denen die öffentliche Finanzierung für Weiterbildung insgesamt in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist (Noack), der Bedarf an Weiterbildungsangeboten zur Erhöhung von Kompetenzen sowie deren Anerkennung – insbesondere für Geringqualifizierte – allerdings sehr hoch ist (Solga & Heisig). Gerade Geringqualifizierten fehlt es oftmals an eigenen finanziellen Mitteln um sich außerhalb des Betriebs weiterbilden zu lassen, was die Bedeutsamkeit innerbetrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen durch den Arbeitgeber erhöht. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel von Österreich, dass sich Investitionen seitens der Unternehmen in die Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen lohnen. Österreichische Unternehmen, die in betriebliche Weiterbildung investieren, sind um rund 16 % produktiver als jene Firmen, die nicht weiterbilden.

Betriebe sind zunehmend weiterbildungsaktiv – aber nur wenige ArbeitnehmerInnen können wirklich teilnehmen

Im Jahr 2010 waren laut der aktuellsten europäischen Erhebung über betriebliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS 4) in Österreich rund 87 % der Firmen weiterbildungsaktiv. Betriebliche Weiterbildung umfasst neben dem Kernbereich klassischer Weiterbildungskurse auch Besuche von Tagungen oder Fachmessen. Diese Fortbildungen fanden entweder in bezahlter Arbeitszeit statt oder die Beschäftigten nahmen an Weiterbildungsaktivitäten außerhalb der Arbeitszeit teil, die von den Betrieben (ganz oder teilweise) bezahlt wurden. Mit 87 % der weiterbildungsaktiven Firmen ist Österreich im internationalen Vergleich gemeinsam mit Ländern wie Schweden auf den ersten Blick Spitzenreiter in der betrieblichen Weiterbildung. Deutschland liegt mit 73 % im Mittelfeld. Beim Anteil der ArbeitnehmerInnen, die in Österreich von betrieblicher Weiterbildung profitieren konnten, zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Im Durchschnitt haben nur 33 % der österreichischen Beschäftigten an Kursen teilgenommen (sowohl im Jahr 2005 als auch 2010) – in Deutschland sind es 39 %. Damit liegt Österreich nicht nur deutlich hinter Schweden (47 %), sondern zählt auch europaweit zum unteren Drittel.

Abbildung 1: Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen und teilnehmender ArbeitnehmerInnen (CVTS 4)

Betriebliche Weiterbildung_Abb1

Doch welche Gründe geben Unternehmen dafür an, auf betriebliche Weiterbildung zu verzichten? Rund 82 % der nicht-weiterbildungsaktiven Unternehmen sagen, dass die vorhandenen Fähigkeiten der Beschäftigten ausreichend sind; 40% dass ihre Belegschaft zu ausgelastet ist um an einer Weiterbildung teilzunehmen. Statt bereits beschäftigte ArbeitnehmerInnen im Betrieb weiterzubilden, ziehen rund 45 % eine Neuanstellung von MitarbeiterInnen der Weiterbildung vor (Mehrfachnennungen möglich).

Kollektivvertragliche Regelungen bringen mehr betriebliche Weiterbildung und höhere betriebliche Renditen

Auch wenn die CVTS 4 Daten bereits im Jahr 2010 erhoben wurden, ist es nun erstmals möglich, diese Informationen mit der Arbeitsproduktivität von Unternehmen zu verbinden. Der Ökonom René Böheim von der Johannes Kepler Universität Linz zeigt in einer aktuellen Studie, dass eine vertragliche Regelung zur betrieblichen Weiterbildung im sogenannten „Kollektivvertrag“ in Österreich (entspricht dem deutschen Tarifvertrag) zielführend ist, da so die Verfügbarkeit von Weiterbildungsangeboten und damit die Häufigkeit der Weiterbildung steigt. Und das lohnt sich: Unternehmen, die in betriebliche Weiterbildung investieren, haben eine um 16 % höhere Bruttowertschöpfung als jene Firmen, die nicht weiterbilden. Der hohe Wert von 16 % entspricht durchaus Ergebnissen aus internationaler Forschung, die für andere europäische Länder ebenfalls vergleichsweise hohe Renditen betrieblicher Weiterbildung dokumentieren. Die Rendite ist sogar noch höher, wenn Betriebe auf Grund der kollektivvertraglichen Bestimmungen in betriebliche Weiterbildung investieren. In diesem Fall finden häufiger Weiterbildungen für eine größere Anzahl an MitarbeiterInnen statt. Allerdings gaben in der letzten CVTS 4 Umfrage lediglich rund 15 % aller Unternehmen an, dass der für sie geltende Kollektivvertrag Bestimmungen zur betrieblichen Weiterbildung enthält.

Pro investiertem Euro mindestens 4,50 € Gewinn

Wieviel Gewinn bringt die betriebliche Weiterbildung der MitarbeiterInnen für ein Unternehmen? Zur Beantwortung dieser Frage soll das folgende Beispiel helfen. Ein weiterbildungsaktives Unternehmen in Österreich hat im Schnitt eine 16 % höhere Bruttowertschöpfung als ein Unternehmen, das nicht in Weiterbildung investiert. Ein durchschnittlicher Betrieb mit 50 VollzeitmitarbeiterInnen, von denen 33 % an betrieblichen Weiterbildungen teilnehmen, müsste gemessen an den durchschnittlichen Weiterbildungskosten von 2.037 € pro Person insgesamt rund 33.600 € ausgeben. Die statistischen Auswertungen zeigen, dass die Bruttowertschöpfung dieses Beispielbetriebs durch die Weiterbildung der MitarbeiterInnen bei rund 185.000 € liegt. Das heißt, dass jeder Euro, der mehr in Weiterbildung investiert wird, einem durchschnittlichen Unternehmen mit 50 VollzeitmitarbeiterInnen 4,50 € mehr Gewinn bringt. Wird davon ausgegangen, dass sich das Wissen aus den Weiterbildungen positiv auf andere KollegInnen auswirkt bzw. auch für andere MitarbeiterInnen in dem Betrieb zur Verfügung gestellt wird, dann könnte die Rendite des Unternehmens nochmals weiter ansteigen.

Abbildung 2: Renditen betrieblicher Weiterbildung – ein Rechenbeispiel für ein Unternehmen mit 50 VollzeitmitarbeiterInnen

Betriebliche Weiterbildung_Abb2Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf Böheim (2015)

Betriebliche Weiterbildung fördern

René Böheim und Florian Wakolbinger zeigten bereits 2009 in ihrer Studie „Mehr Lohn bei betrieblicher Weiterbildung“, dass auch die Löhne von ArbeitnehmerInnen durch betriebliche Weiterbildung steigen. Beschäftigte in österreichischen Unternehmen, in denen betriebliche Weiterbildung angeboten wurde, verdienten demnach mehr als Beschäftigte in Betrieben ohne Weiterbildung. Vermehrte betriebliche Weiterbildung führt zu besserer Qualifizierung, die sich zum einen in höheren Löhnen, zum anderen in einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko niederschlägt. Trotz dieser „win-win“ Situation für ArbeitnehmerInnen und Unternehmen wurde von allen Beschäftigten im Jahr 2010 nur rund ein Drittel vom Betrieb weitergebildet. Die verbleibenden zwei Drittel müssten sich ihre berufliche Weiterbildung selbst organisieren und finanzieren. Auch konnten 2010 nur knapp 4 von 10 MitarbeiterInnen in Deutschland an betrieblicher Weiterbildung teilnehmen. Besonders Geringqualifizierte werden in Deutschland von ihren ArbeitgeberInnen deutlich seltener durch betriebliche Weiterbildung gefördert (Noack), was sich letztlich in der geringeren Weiterbildungsbeteiligung niederschlägt. Dabei zeigt das exemplarische Rechenbeispiel aus Österreich, dass sich die Investitionen der Unternehmen in die betriebliche Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen lohnen. Um die betriebliche Weiterbildung auszubauen und für alle ArbeitnehmerInnen zu sichern sollten Unternehmen beispielsweise einen festgelegten Anteil ihrer Jahreslohnsumme in die betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren müssen – zumal sie von der „win-win“ Situation stärker profitieren als ArbeitnehmerInnen. Gekoppelt mit einer Festschreibung im Kollektivvertrag könnte damit dem Trend der niedrigen Teilnahmequote entgegen gewirkt werden. Es wird langfristig unterstützende Rahmenbedingungen dieser Art brauchen, damit die Qualifikationen und Kompetenzen von ArbeitnehmerInnen gefördert und gesichert werden, um für die demographischen und strukturellen Herausforderungen des Arbeitsmarkts gerüstet zu sein.

Eine weitere, detaillierte Darstellung über Renditen betrieblicher Weiterbildung findet sich im Periodikum „Sozial- und Wirtschaftsstatistik aktuell“ (Dezember 2015) der AK Wien.

 



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