Ausbildung von Südeuropäern in Deutschland – Interview mit Ausbilder und Lernling

„Wichtig ist, dass die Leute bei uns als Team funktionieren, dabei spielt die Herkunft keine Rolle“ – Ausbildung von Südeuropäern in Deutschland
Aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Ländern Europas wagen zahlreiche junge Menschen für bessere berufliche Perspektiven den Schritt ins Ausland. Einige von ihnen entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung als Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.

Gleichzeitig sind hierzulande immer mehr Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen dazu bereit, junge Menschen aus Südeuropa auszubilden: Das kann zum einen im Fachkräftemangel begründet sein, zum anderen aber auch in dem gezielten Ausbau einer Diversity-geleiteten Unternehmenskultur. Die Entscheidung, junge Menschen aus Italien oder Spanien auszubilden, kann aber auch aus der internationalen Ausrichtung des Unternehmens heraus motiviert sein.

Beratungsstelle für Ausbildungsinteressierte aus Südeuropa: CET – Center for European Trainees
Seit Juni 2014 leite ich gemeinsam mit zwei Kolleginnen das CET – Center for European Trainees. Wir beraten junge Menschen aus Südeuropa zum Thema Berufliche Ausbildung in Baden-Württemberg und unterstützen bei der Ausbildungsplatzsuche.

Was sind die Motivationen junger Menschen, welche Zukunftsträume haben sie? Wie gestalten Unternehmen die Willkommenskultur für Auszubildende aus dem Ausland? Welche Hürden gilt es zu bewältigen? In einem Interview habe ich bei der Firma Felss Systems GmbH nachgefragt, ein mittelständisches Unternehmen, das Maschinen zur Metallbearbeitung als auch Komponenten z. B. für die Automobilindustrie produziert.

Im September 2015 begannen dort zwei junge Spanier ihre Ausbildung, das CET half bei der Vermittlung der Ausbildungsplätze. Die Ausbildung bei der Felss Systems GmbH ist sehr handlungsorientiert und findet auf Augenhöhe mit den Auszubildenden statt. In der Lernwerkstatt steht der individuelle Lernprozess jedes Einzelnen im Vordergrund, wobei der Ausbilder als Lernbegleiter agiert, der bei der Inhaltsaneignung gezielt unterstützt und fördert, statt klassisch zu belehren. Diese Einstellung schlägt sich auch in der unternehmensspezifischen Sprache nieder, denn statt „Auszubildender“ wird dort der Begriff „Lernling“ verwendet.

Interview mit Lernling Oriol und Herrn Röhrle der Felss Systems GmbH

JF: Herr Röhrle, Sie sind Ausbildungsverantwortlicher bei der Felss Systems GmbH in Nesselwang. Weshalb hat sich Ihr Unternehmen dazu entschlossen, mit Ausbildungsbeginn 2015 zwei junge Spanier auszubilden?

SR: Zum einen wollten wir erste Erfahrungen mit spanischen Mitarbeitern sammeln, um gegebenenfalls bei späteren Facharbeitern aus Spanien bereits auf eine gewisse Erfahrung mit deren Kultur zurückgreifen zu können. Zum anderen wollten wir als Unternehmen unseren Horizont erweitern, um der künftig immer globaler werdenden Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Zudem stellen wir uns auch den Herausforderungen, die das künftige Arbeitsleben im Sinne der Diversity birgt.

JF: Oriol, du bist bei Felss Lernling im ersten Lernjahr und wirst zum Industriemechaniker ausgebildet. Was hast du vor deiner Ausbildung gemacht?

Oriol: Hilfsarbeiten und das erste Lehrjahr in einer Ausbildung in Spaichingen als Anlagenmechaniker.

JF: Wie kam es denn dazu, dass du dich damals für eine Ausbildung in Deutschland entschieden hast? Und was ist anders an der Berufsausbildung in Deutschland als in deinem Heimatland?

Oriol: So ziemlich alles. In meinem Land läuft die Ausbildung rein schulisch ab und dauert zwei Jahre. Nach dieser Zeit hat man noch keinerlei praktische Erfahrung und man macht lediglich ein zweimonatiges Praktikum in einer Firma, für das man auch kein Geld erhält.

Ich habe mich für eine Ausbildung entschieden, weil es in meinem Land keine Arbeit gab und weil Deutschland das beste Land ist, meinen Beruf als Industriemechaniker zu erlernen. Hier gibt es mehr Möglichkeiten als in anderen europäischen Ländern.

JF: Was macht dir an deiner Ausbildung besonders Spaß?

Oriol: Das Zusammenarbeiten mit den anderen Lernlingen gefällt mir. Alle sind sehr nett und wir kommen prima miteinander aus. Auch der Umgang mit den Maschinen macht mir viel Spaß.

JF: Herr Röhrle, was verstehen Sie unter dem Begriff „Willkommenskultur“? Wie haben Sie diese bei sich im Unternehmen umgesetzt?

SR: Ich denke zum einen muss eine Willkommenskultur erstmal eine gewisse Offenheit und Herzlichkeit signalisieren, zum anderen legen wir aber den gleichen Maßstab an wie für unsere deutschen Lernlinge, mit genau den gleichen Rechten und Pflichten. Wichtig ist, dass die Leute bei uns als Team funktionieren, dabei spielen Herkunft und Ethnie erstmal keine Rolle. Wichtig ist, richtig auf die einzelnen Persönlichkeiten, aus denen sich unser Team zusammensetzt, einzugehen.

Deshalb starten wir jedes Jahr zu Beginn der Ausbildung mit einem Teamtraining, in dem sich die jungen Leute mit den unterschiedlichsten Charakteren kennenlernen und finden können.

JF: Das Teamtraining am Anfang der Ausbildung hat dabei geholfen, die anderen Auszubildenden kennen zu lernen. Was war am Anfang besonders schwierig?

Oriol: Am schwierigsten war sicherlich die Sprache.

SR: Man muss sich im Klaren darüber sein, dass die Sprachbarriere immer noch die größte Herausforderung darstellt. Das kann auf Betriebsseite noch gut kompensiert werden, da man in der Regel die Möglichkeit hat, sehr gezielt auf die jungen Menschen einzugehen, um Verständigungs- und Verständnisprobleme aus dem Weg zu räumen. An den Berufsschulen wird es für die Lehrkräfte schier unmöglich auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen. Ein gewisses Maß an Deutschkenntnissen und eine gute Abstimmung mit den Berufsschulen ist also unumgänglich.

JF: Herr Röhrle: Was würden Sie anderen Unternehmen, die junge Menschen aus Südeuropa ausbilden, als wertvollen Tipp mit auf den Weg geben?

SR: Als Unternehmen muss man sich ganz bewusst viel mehr mit den Herausforderungen beschäftigen, die außerhalb des Berufsalltags noch auf die jungen Menschen warten. Ganz alltägliche Dinge, wie Unterkunft, Behördengänge, Finanzierung des Lebensunterhaltes und sinnvolle Beschäftigung in der Freizeit sind hier verstärkt von Firmenseite aus zu betreuen, da den meisten jungen Auszubildenden der familiäre Hintergrund, der das in der Regel bei den deutschen Auszubildenden ableistet, fehlt. Auch viele rechtliche Besonderheiten, die in Deutschland gelten, müssen berücksichtigt sein, seien es GEZ-Gebühren oder Anerkennung der Schadenfreiheitsprozente bei der KFZ-Versicherung und viele andere Dinge.

JF: Zum Abschluss noch eine Frage an dich, Oriol. Was wünscht du dir für deine Zukunft?

Oriol: Ich möchte meine Ausbildung erfolgreich beenden und anschließend hier weiterarbeiten, nach Möglichkeit im Service.

JF: Dafür wünsche ich dir viel Erfolg! Und vielen Dank Ihnen beiden dafür, dass Sie für das Interview zur Verfügung gestanden und Ihre Erfahrungen mit den Blog-Lesern geteilt haben.

 

Über die Felss-Gruppe

Die Felss Gruppe produziert unter dem Markennamen Felss Shortcut Technologies für diverse Branchen wie zum Beispiel der Automobilindustrie sowohl Maschinen zur Metallbearbeitung als auch Komponenten. Technisch stehen die Kaltumform-Verfahren Rundkneten, Axialformen, Biegen, Autofrettage und Endenbearbeitung im Mittelpunkt.

Mit Hauptsitz in Königsbach-Stein, erwirtschaftet Felss mit etwa 580 Mitarbeitern in vier Ländern über 100 Millionen Euro. Mehr Informationen unter http://www.felss.com.

Felss

Links „Lernling“ Oriol und rechts daneben Ausbilder Simon Röhrle von Felss.



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