Ein „Kennenlernfest“ zur Integration von Flüchtlingen: „Mir helf’n zsamm und wollen uns kennenlernen“ (3/4)

So richtig vorstellen kann man es sich außerhalb der Fußballwelt immer noch nicht. Schwarze Bayern, muslimische Bayern, Bayern die kein Bier trinken und auch nicht gern um Geld Karten spielen. Mit genau dieser Vorstellung setzen sich aktuell aber die bayrischen Einheimischen auseinander, denn fast jedes Dorf hat eine Flüchtlingsunterkunft. Bayern wird also bunter, und aus Sicht vieler ist das kein Grund mehr als sonst besorgt zu sein. Mehr noch: Der unfreiwillig angeworfene Integrationsturbo hat in vielen Gemeinden ein ungeahntes Potential an ehrenamtlichem Engagement aktiviert durch das Ansätze zur Integration entwickelt wurden. Das Frasdorfer „Kennenlernfest“ ist ein solcher Ansatz.

[Auf Basis dieser Blogbeiträge ist in 2017 das Dossier „Sprachbegleitung einfach machen“ entstanden, das Ehrenamtliche beim Sprachunterricht unterstützt]

 

Die Idee des Kennenlernfests: Eine Kultur des Miteinanders schaffen

Die Idee hinter dem „Kennenlernfest“ ist simpel: Integration funktioniert dann, wenn man sich kennenlernt und so Unsicherheiten im Umgang miteinander abbauen kann. Das Fremde hat dabei zwei Seiten: Die Flüchtlinge sind den Einheimischen ebenso fremd wie die Einheimischen den Flüchtlingen. Eine Brücke baut man daher am besten von zwei Seiten. Zum Beispiel in Form eines gemeinsamen Fests. Zwei Funktionen sollte das Fest erfüllen, um Integration zu ermöglichen: Den Raum für Austausch öffnen, indem dem Fremden ein Gesicht geben wird sowie offene Fragen rund um das Thema Flüchtlinge zu beantworten. Am 30.4.2015 war es dann soweit, das Fest „mit Musik, Brotzeit und Getränken in einem direkten Gespräch mit den Flüchtlingen, den Behörden“ startete und wurde zum unerwartet großen Erfolg.

 

Dem Fremden ein Gesicht und eine Aufgabe in der Gemeinschaft geben

Mit diesem Andrang hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Statt 250 erwarteter Teilnehmer erschienen am Tag des Festes weit über 400 Personen aus der Gemeinde. Erfreulich, denn die Vorarbeiten zu Fest waren aufwändig gewesen. Nicht nur die Organisatoren hatten zu tun, um die Lamstoahalle – die sonst vom lokalen Trachtenverein genutzt wird – vorzubereiten. In mühevoller Kleinarbeit und entgegen aller Sprachbarrieren hatten Ehrenamtliche die Lebensgeschichten der Flüchtlinge zusammengetragen. Ein passionierter Hobbyphotograph hatte zudem von jeder Person ein Portrait erstellt. Beides – Geschichte und Bild – sollte den Einheimischen einen Einblick in das Leben der „Fremden“ geben. Dabei standen Fragen im Zentrum, die jeden berühren: Wer bin ich, wo komme ich her, was habe ich hinter mir, was liegt noch vor mir, welche Träume möchte ich verwirklichen. Wichtig war es den Veranstaltern Empathie zu erzeugen, indem der Fremde nicht als leere Kategorie sondern als individueller Mensch mit seiner Lebensgeschichte in den Mittelpunkt gerückt wird. Die Bildergalerie kam nicht nur bei den Besuchern sehr gut an, sondern schaffte auch Anschlussmöglichkeiten für einen gemeinsamen Austausch während des Fests sowie danach.

Alleine mussten die Ehrenamtlichen das Fest aber nicht ausrichten, denn die Flüchtlinge waren bereits von Anfang an als Unterstützer mit dabei. Hintergrund dieses Ansatzes war das Unbehagen der Organisatoren, dass die Flüchtlinge immer nur als passive, bestenfalls ansprechbare Personen vorgeführt wurden. Integration – so die Überlegung – gelänge viel schneller, wenn gezeigt wird das und wie man gemeinsam etwas bewegen kann. Neben der Vorbereitung eines afrikanisch bayrischen Buffets halfen die Flüchtlinge deswegen bei der Bewirtung der Gäste während des Festes mit. Lob für diesen Ansatz kam nicht nur von den Gästen, sondern auch den Flüchtlingen selbst. Für sie war die Mitarbeit am Fest ebenso motivierend wie die positiven Rückmeldungen der Gäste, mit denen sie so verstärkt in Kontakt kamen.

 

Den vielen Fragen der Bürger entgegentreten und Fakten schaffen

Eigentlich hatten die Organisatoren gehofft, dass es während des Festes zu noch mehr Austausch zwischen Einheimischen und Flüchtlingen kommen würde. Der eigene Plan einen „unterhaltsamen Abend mit Fragen und Antworten von Helfern, Polizei und Behörden“ anzubieten, machte ihnen hier aber einen Strich durch die Rechnung – denn vor allem die Fragerunde nahm die meiste Zeit der Veranstaltung ein. Für die Vorträge zu Fragen rund um das Thema Flüchtlinge hatten die Organisatoren namenhafte Vertreter der lokalen Behörden eingeladen. Sie standen allen Interessierten Rede und Antwort zu Themen wie z.B. Wie werden die Flüchtlinge aufgegriffen und verteilt? Wie gehen die Abschiebungen vonstatten? Ist es jetzt unsicherer geworden, seit so viele Fremde da sind? Wie machen sich die, die bereits da sind? Ab wann dürfen sie arbeiten? Wie würde eine Anstellung in einem Betrieb gehen? Aber auch: Wie kann ich die Flüchtlinge unterstützen?

Als wichtig erwies sich dabei, dass die Repräsentanten der Behörden konkrete Informationen zur Lage im direkten Gespräch mit den Bürgern präsentierten und auf Nachfragen eingingen. Allgemein verfügbare Informationen, etwa zur Situation in den Herkunftsländern, zur Finanzierung der Smartphones für Flüchtlinge sowie dazu, dass die Kriminalitätsrate in der Gemeinde seit der Ankunft der Flüchtlinge nicht angestiegen war, erwiesen sich als besonders wichtig. Natürlich könnte man all dies auch im Internet nachlesen, es aus erster Hand von offiziellen Behördenvertretern zu hören, macht für viele Bürger aber immer noch einen Unterschied. So trug der Informations- und Frageteil dazu bei Sicherheit und Vertrauen bei den Bürgern zu schaffen. Die Möglichkeit Fragen offen anzusprechen stellte sich zudem als ein nicht zu unterschätzender Katalysator für deren Unsicherheiten und Ängste heraus.

 

Was kommt nach dem Kennenlernfest: Ein Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen sowie von Flüchtlingen untereinander schaffen

Das „Kennenlernfest“ war ein voller Erfolg und hat einen guten Grundstock für die weitere Integration der Flüchtlinge in der Gemeinde gelegt. Der Weg bis zu einer umfassenden Integration ist aber noch weit und kann nicht von den Ehrenamtlichen allein beschritten werden. Wichtig ist es, dass sich die auf dem Fest angeregte Kultur des Miteinanders über alle Ebenen fortschreibt: Durch Ehrenamtliche, die Flüchtlinge unterstützen aber auch durch Selbsthilfe der Flüchtlinge untereinander. Diesen Weg möchte man in Frasdorf verstärkt beschreiten. Einige der Flüchtlinge sind mittlerweile bereits lange vor Ort und haben sich gute Deutschkenntnisse angeeignet. Sie sollen in Zukunft vermehrt Berater- und Lotensfunktion für andere übernehmen. Damit sie eine solche Rolle übernehmen, ist noch viel Überzeugungsarbeit von Nöten. Die wenigsten kommen aus Kulturen, in denen ehrenamtliches Engagement selbstverständlich ist oder wertgeschätzt wird. Und auch zwischen Flüchtlingen gleicher Nationalität gibt es oft einen Unwillen sich gegenseitig zu helfen – z.B. aufgrund ethnischer Unterschiede. Neben Beispielen guter Praxis zur Selbsthilfe, wären daher dringend Vorbilder aus den jeweiligen Herkunftsländern nötig, die ihre Landleute dazu motivieren sich einzubringen. Auch sinnvolle Anreizstrukturen für Aktivitäten im Rahmen der Flüchtlingsselbsthilfe könnten hier motivierend wirken. An beidem fehlt es aktuell – was aber kein Grund für die Ehrenamtlichen in Frasdorf ist, aufzugeben. Die nächste gute Lösung ist schon in Arbeit, in den nächsten Wochen wird die digitale Koordinationsplattform „Hand in Hand“ an den Start gehen.

Mehr Informationen zum „Kennenlernfest“ finden sich hier:

http://www.tagesspiegel.de/politik/bayern-die-fremden-freunde-von-frasdorf/12218430.html

Blogbeitragsreihe zur Flüchtlingsthematik:

Zum Thema Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt berichtet auch unsere Kollegin Claudia Burkard:
http://blog.aus-und-weiterbildung.eu/integration-von-fluechtlingen/



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