Kompetenzanerkennung in Deutschland: Akteure erkennen dringenden Handlungsbedarf, aber noch fehlt eine gemeinsame Strategie

Die Debatte um die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen beschäftigt Deutschland schon seit einiger Zeit. Bereits 2012 unterschrieb das Bundesbildungsministerium eine EU-Rats-Empfehlung, die die Mitgliedsstaaten dazu aufruft bis 2018 nationale Regeln und Verfahren für die Sichtbarmachung und Anerkennung informellen Lernens zu entwickeln und gesetzlich zu verankern. Seitdem hat sich einiges bewegt, aber das Ziel ist noch lange nicht erreicht.

Deswegen haben am 15. September das Kolpingwerk Deutschland und die Bertelsmann Stiftung zu einer Fachtagung zum Thema Erkennung und Anerkennung von Kompetenzen eingeladen. Vertreten waren wichtige Akteure aus dem deutschen Aus- und Weiterbildungssegment, darunter drei Bundestagsabgeordnete, Wissenschaftler, Experten aus den Kammern (Handwerk, Industrie- und Handelskammern), Arbeitgebervertreter, Ministerialvertreter, Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, Experten von Sozialverbänden sowie Träger der beruflichen Bildung.

Kern der Veranstaltung bildeten u.a. zwei spannende Diskussionsrunden in der Form von „Fishbowls“. Dem Publikum war es möglich, die Diskussion durch eigene Inputs zu ergänzen und zu lenken.

Die drei wichtigsten Fazits der Diskussionsrunden:

  1. Alle Akteure sind sich einig: es besteht akuter Handlungsbedarf in Bezug auf die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen. Informell erworbene Kompetenzen müssen sowohl sichtbar gemacht als auch in irgendeiner Form zertifiziert werden, um sie auf dem Arbeitsmarkt verwertbar zu machen. Druck auf die Akteure des Aus- und Weiterbildungssystem entsteht vor dem Hintergrund der ca. 6 Millionen formal Geringqualifizierten in Deutschland, die durch die fehlende Anerkennung ihrer Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt zunehmend benachteiligt werden. Hinzu kommt eine große Anzahl von Flüchtlingen, die voraussichtlich kein in Deutschland anerkanntes Bildungszertifikat mit sich bringen, aber dennoch beruflich verwertbare Kompetenzen besitzen, die auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt gebraucht werden.
  2. Es besteht gegenwärtig noch keine einheitliche Vorstellung zwischen den verschiedenen Akteuren, wie ein Kompetenz-Anerkennungssystem konkret aussehen soll. Noch sind Handlungsansätze projektförmig und verstreut organisiert. Die Akteure sind sich einig: diese Pluralität soll erhalten bleiben, muss aber mit einer einheitlichen Strategie ausgestaltet werden. Denn eine einheitliche Strategie zwischen den Akteuren ermöglicht gemeinsame Aktionsfähigkeit und bildet die Grundlage für ein Anerkennungssystem.
  3. Die vertretenen Akteure des Aus- und Weiterbildungssystems strahlten Kooperationsbereitschaft aus, um gemeinsam eine Lösung für das Problem der bis heute fehlenden Anerkennung informell erworbener Kompetenzen zu finden.

Wer an einer detaillierten Beschreibung der Veranstaltung interessiert ist, findet auf der Website des Kolpingwerk Deutschland eine ausführliche Zusammenfassung über den Veranstaltungsablauf und die verschiedenen Beiträge der Referenten und Teilnehmer.

© Kolpingwerk Deutschland
Fachtagung Kompetenzen erkennen und anerkennen am 15. September 2016 im Kolpinghaus Frankfurt in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung. (V.l.) Daike Witt (Zentralverband des Deutschen Handwerks, ZDH), Katharina Weinert (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA), Ursula Nissen (SPD-MdB) und Frank Frick (Bertelsmann-Stiftung).


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