Statement zur dualen Ausbildung – und all dem, was davor passiert

„Bin ich eigentlich anerkannt im beruflichen Umfeld mit dem, was ich mache? Oder hätte ich doch lieber studieren sollen, um später mithalten zu können?“ – Diese Fragen habe ich mir ziemlich oft gestellt. Ist es nicht heutzutage zum Trend geworden, auf jeden Fall einen Bachelor in der Tasche zu haben, noch besser sogar einen Master?

Mein Name ist Pia, ich bin 20 Jahre alt und aktuell im 3. Jahr meiner Ausbildung zur Industriekauffrau. Bevor ich die Ausbildung begonnen habe, habe ich meine Fachhochschulreife an der Höheren Handelsschule mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung absolviert. Während der Ausbildung durchlaufe ich im 3-monatigen Wechsel mehrere Abteilungen über einzelne Konzernfirmen hinweg.

Gewinner und Verlierer

Eigentlich bin ich der Meinung, mir geht es gut mit dem, was ich mache. Ich habe aus der Schulzeit einen fließenden Übergang in das Berufsleben geschafft, konnte direkt mit einsteigen. In vielen Ländern würden Jugendliche davon träumen, es so leicht zu haben, doch auch hier gibt es Lücken. Das System der dualen Ausbildung in Deutschland  ist super – dennoch nicht für jeden erreichbar. Selbst in Deutschland hat man mit einem Hauptschulabschluss so gut wie gar keine Chance, mit einer Fachoberschulreife nur begrenzte Möglichkeiten. Viele Jugendliche bleiben daher auf der Strecke, können nicht dem nachgehen, was ihnen eigentlich Spaß macht, nur weil das Blatt Papier – das sich Zeugnis nennt – nicht den vorgegebenen Anforderungen entspricht. Ich finde, das ist ein großes Problem.

„Hätte ich es einfacher haben können?“

Ich habe mein Fachabitur in Wirtschaft und Verwaltung gemacht, weil ich dachte, ich hätte keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mit meiner „kleinen, unbedeutenden“ Fachoberschulreife. Heute bereue ich es nicht, weiß aber, dass ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau auch ohne Fachabitur hätte machen können.

„Man muss sich beweisen, um mitzuhalten!“

Eine meiner Mitschülerinnen ist sehbehindert, auf einem Auge fast blind. Ein Schüler aus meiner Stufe hat nur einen Arm. Ich finde es super, dass diesen Menschen eine Chance geboten wird. Sie haben es verdient – und welch ein Wunder, das sind ganz schön schlaue Köpfchen! Nur weil sie körperlich eingeschränkt sind, heißt das nicht, dass sie nichts drauf haben. Im Gegenteil – jedem sollte die Chance gegeben werden, das auch aus sich rausholen zu können.

Menschen mit Behinderungen haben auf dem Weg in das Berufsleben schlechte Karten – von 50.000 Schülern mit besonderem Förderbedarf gelingt nur ca. 4.150 der Einstieg in eine betriebliche Ausbildung . Es gibt genug Ausbildungsplätze, die Wirtschaft boomt. Woran also liegt das? Die duale Ausbildung ist vom Konzept her gut, keine Frage. Jedoch lässt sie schwächere bzw. förderungsbedürftige Menschen noch viel zu begrenzt mitwirken.

„Wie geht es nach der Schule für mich weiter?“

Die Berufsorientierung ist auch so ein schwieriges Thema. An deutschen Schulen ist diese zwar vorhanden, jedoch noch sehr lückenhaft. Ich erinnere mich gut an die Zeit, als ich in der 9. Klasse auf der Realschule mein Orientierungspraktikum gemacht habe. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich mal werden möchte. Damals habe ich ein Praktikum im kaufmännischen Bereich absolviert. Also in dem Bereich, in dem ich heute auch ausgebildet werde. Doch die Tätigkeiten im Praktikum kann man mit einer Ausbildung gar nicht vergleichen. Was hat mir dieses Praktikum also gebracht? – So gut wie nichts. Außer, dass ich mit dem Kopier- und Kaffeegeruch schon vertraut wurde. Bis zum Ausbildungsantritt hatte ich keinen blassen Schimmer, was auf mich zukommt und ich hatte Glück, dass es mir tatsächlich Spaß macht.

So geht es wahrscheinlich den meisten Schulabgängern. Der Orientierungstag im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit war für mich noch weniger hilfreich – laut des Berufstests sollte ich Pferdewirtin werden. Ließ mich mehr als schmunzeln, konnte mir aber keine hilfreiche Orientierung bieten, da ich mit Pferden absolut nichts anfangen kann. Die Schulen bemühen sich um Orientierungsmaßnahmen, bleiben dabei jedoch meiner Meinung nach zu unpersönlich.

Mein Fazit: Man muss die Schüler noch individueller und persönlicher beraten und ihnen damit eine bessere Chance bieten, sich darüber bewusst zu werden, welche berufliche Richtung sie einschlagen möchten. Es ist wichtig, dass Schüler ihre Stärken herausfinden und den passenden Werdegang wählen können. Ein Beispiel für moderne und meiner Meinung nach gute Berufsorientierung, ist die Plattform www.blicksta.de.  Diese trifft (mit für jeden Schüler individuell ausgesteuerten Inhalten) genau den Nerv der Zeit, hält spannende Infos zum Thema Ausbildung und Studium bereit und bietet mehrere Orientierungstests. Hilfreich fand ich auch Berufsmessen wie beispielsweise die Einstieg-Messen  oder die vocatium-Messen. Schulen sollten sich meiner Meinung nach mehr an solchen Maßnahmen orientieren.



Kommentare

  1. / von Lukas

    Sehr gutes Statement zur dualen Ausbildung!

    In­te­r­es­sant, frisch und anregend geschrieben aus der Sicht einer Person die mit diesem Thema konfrontiert ist und nicht von einem Gesellschaftsforscher der nur einen „externen“ Bezug hat.

    Als ehemaliger Realschüler kann ich dem Fazit vollends zustimmen. Die Schüler brauchen eine zugeschnittene Beratung und eine „führende Hand“, diese muss vor allem auch durch die Schulen gewährleistet werden.

    sehr lesenswert – weiter so!

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