Das Anerkennungssystem braucht verbindliche Verfahren und darf keine Abschlüsse zweiter Klasse „produzieren“ – Teil 3/5: Verfahren und Instrumente

Ein Anerkennungssystem braucht effiziente Verfahren, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Dies sichert Akzeptanz und erhöht die Nachfrage.

Hierbei sind drei verschiedene Ergebnisse des Anerkennungsverfahrens non-formal und informell erworbener Kompetenzen denkbar, die miteinander verknüpft werden sollten.

  • Zum einen können Verfahren zu einem vollständigen, anerkannten Abschluss führen, der zu den Abschlüssen der formalen Bildung gleichartig oder zumindest gleichwertig ist. Hierbei ist wichtig, dass alle Wege, die zu dem Abschluss führen, auf dem Arbeitsmarkt gleichermaßen akzeptiert und verwertbar sind. In Frankreich wird auf – auf alternativen Wegen erworbenen – Abschlusszertifikaten nicht aufgeführt, wie diese erworben wurden. Auf diese Weise soll dort sichergestellt werden, dass die Abschlüsse nicht als Abschlüsse zweiter Klasse angesehen werden.
  • Weiterhin ist denkbar, dass die Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen zu Teilqualifikationen führen, die auf das Erlangen formaler Abschlüsse angerechnet werden können. Hierfür wäre eine Modularisierung der anerkannten Abschlüsse erforderlich, die es den Teilnehmern des Anerkennungsverfahrens ermöglicht, den vollständigen Abschluss auch später noch nachzuholen.
  • Falls die Kompetenzen eines Teilnehmers für einen (Teil-)Abschluss noch nicht ausreichen, können Fertigkeiten und Erfahrungen beschreiben werden. Diese Kompetenzpässe oder -profile können dann sowohl für Stellenbewerbungen als auch die individuelle Planung von Weiterqualifizierungsmaßnahmen verwendet werden.

Dänemark und Österreich als Vorbild

In Dänemark findet sich ein zweistufiges Zertifizierungsverfahren. Dabei werden die mit Unterstützung eines Berufsbildungszentrums für Erwachsene individuell nachgewiesenen Kompetenzen in einem Zertifikat festgehalten und mit definierten Lernergebnissen von Bildungsgängen abgeglichen. Dieses Zertifikat kann dann für die persönliche Planung weiterer Qualifizierung oder für den Eintritt in den Arbeitsmarkt genutzt werden.

Ein solches „Stufenmodell“ ließe sich auch nach Deutschland transferieren. Dazu könnten bereits bestehende Kompetenzpässe mit beschäftigungsbezogenen Teilqualifikationen verknüpft werden. Für eine Pflegeaushilfe würde es bedeuten, dass ihre Kompetenzen dokumentiert werden und sie anschließend per Nachqualifizierung mit verschiedenen Modulen ein berufsadäquates Kompetenzprofil vervollständigen und weitere Schritte in Richtung eines Berufsabschlusses gehen könnte.

In Österreich, wo die berufliche Bildung ähnlich hohen Standards entsprich, wie denen im deutschen dualen System, gibt es mit dem Projekt „Du kannst was!“ eine Möglichkeit, in die Lehrabschlussprüfung in zwei Schritten unter Anerkennung der informell und non-formal erworbenen Kompetenzen zu erwerben. In einem ersten Schritt werden Teilnehmer am Arbeitsplatz beobachtet, was zu einer Teil- oder gar direkt einer Vollqualifikation führen kann. In einem zweiten Schritt werden dann ergänzende Bildungsmaßnahmen durchgeführt, die dann zu einer Vollqualifikation führen.

Wo gibt es in Deutschland direkte Anknüpfungspunkte?

In Deutschland könnte der Zugang zur Externenprüfung vereinfacht und das Verfahren individualisiert werden. Dabei könnte auch die Zertifizierung von Teilqualifikationen vorgesehen werden. Weiterhin sollten bereits bestehende Kompetenzpässe genutzt (wie bspw. der Profilpass) und mit den Anforderungen der (Teil-)Qualifikationen verknüpft werden, um so Weiterqualifizierungspotenziale zu identifizieren und bereits Erlerntes zu nutzen.

Broschüre „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden – Wie europäische Nachbarn informelles und non-formales Lernen anerkennen und nutzen“

Beitragsreihe zur Anerkennung von Kompetenzen:

  • Teil 1/5: Gesetzliche Grundlagen – Ohne Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden insbesondere Geringqualifizierten berufliche Weiterentwicklungschancen verbaut
  • Teil 2/5: Finanzierung – Die Finanzierung des Verfahrens der Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen muss so geregelt werden, dass gerade formal Geringqualifizierten der Zugang erleichtert wird
  • Teil 3/5: Verfahren und Instrumente Ein Anerkennungssystem braucht effiziente Verfahren, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Dies sichert Akzeptanz und erhöht die Nachfrage.
  • Teil 4/5: Supportstrukturen – Die Nutzer komplexer Anerkennungsverfahren brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zu Information und Beratung. Ein Anerkennungssystem wird sich daran messen müssen, inwiefern es wirkliche Chancen eröffnet.


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