Rückblick: Kickoff-Workshop zu Future Skills am Arbeitsmarkt – Synergien zwischen Wissenschaft und Praxis

Das Projekt „Beschäftigung im Wandel“ lud am 13.06.2023 erstmals zu einem Workshop zum Thema Future Skills am Arbeitsmarkt in die Bertelsmann Stiftung Berlin ein. Unter den Gästen waren Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis, u. a. von der OECD, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und vom Stifterverband. Fünf Impulsvorträge und eine Keynote zeigten eindrucksvoll, wie an der Identifizierung und Vorhersage von Future Skills in der Forschung gearbeitet wird und welche Rolle Future Skills in Transformationsprozessen in der Wirtschaft spielen.

Future Skills werden konzeptionell und methodisch unterschiedlich erschlossen

Der erste Impuls zeigte, dass Future Skills in der Hochschulforschung als Kompetenzen, die Menschen benötigen, um in hochemergenten Handlungskontexten handlungsfähig zu sein, definiert werden. Ein Rahmenmodell von Prof. Ulf-Daniel Ehlers von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg stellt die Future Skills als transversale Handlungskompetenzen dar, die Individuen befähigen zu lernen und sich persönlich zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen Problemstellungen zu bewältigen und in organisationsbezogenen Kontexten erfolgreich zu interagieren. In der Initiative „NextSkills“ wird u. a. mit der Darstellung von Best Practice-Beispielen daran gearbeitet, dass die Vermittlung von Future Skills curricularer Bestandteil der Hochschulbildung wird.

Die von Julia Brasse und Lars Moestue von der Universität Ulm vorgestellte Studie der AgenturQ definiert Future Skills hingegen als Kompetenzen, deren Nachfrage durch die Arbeitgeber in Baden-Württemberg in den nächsten fünf Jahren steigt. Um diese für die dortigen Schlüsselindustrien zu ermitteln, wurden über eine Million Stellenanzeigen analysiert und 245 Unternehmen befragt. Neben transversalen Kompetenzen, wie Entscheidungsfähigkeit, wurden hier auch fachliche Kompetenzen, wie Batterieentwicklung und Industrierobotik, identifiziert.

Dr. Fabian Stephany vom Oxford Internet Institute nähert sich Future Skills wiederum in einer von der Bertelsmann Stiftung beauftragten Machbarkeitsstudie, in dem er mit Zeitreihenanalysen die Nachfrageentwicklung von Skills vorhersagt. Analysiert werden grüne und digitale (blaue) Kompetenzen, die für die Twin Transition, die Transformation hin zu nachhaltigen digitalen Technologien, erforderlich sind. Die Analysen basieren auf einem Datensatz aus zwei Millionen Online-Stellenanzeigen. Das Ergebnis zeigt, dass bisher vor allem kurzfristige Prognosen für wenige Monate valide sind.

Ein weiterer Fokus der Arbeit der Bertelsmann Stiftung liegt auf dem Thema Green Skills, verantwortet von Jana Fingerhut. Sie skizzierte in ihrem Impuls, durch welche Merkmale Green Skills und Green Jobs von anderen abgegrenzt werden können, beispielweise wenn der von dem Unternehmen produzierte Output nachhaltig ist. Sie stellt zudem einige Studienideen vor, darunter die Idee die Nachfrageentwicklung von Kompetenzen in grünen Berufen mithilfe von Online-Stellenanzeigen zu analysieren. Der gemeinsame Nenner der heterogenen Forschungsarbeiten ist, die Identifizierung von Kompetenzen, die auf dem Arbeitsmarkt an Relevanz gewinnen.

Auch in der Umsetzungspraxis spielen Future Skills eine wichtige Rolle, insbesondere in Transformationsprozessen

In seiner Keynote berichtete Matthias Roth von der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH anschaulich vom Umbau des Standorts Zwickau zum ersten E-Autowerk des Volkswagenkonzerns in Deutschland. Neben der fachlichen Weiterbildung der Belegschaft, war es vor allem wichtig, die Beschäftigten von den Chancen des Wandels zu überzeugen. Dazu wurde eine Change-Convention organisiert, bei der die rund 7.500 Beschäftigten in fünf Workshops erarbeiten sollten, wie sie z. B. mit Ängsten umgehen können, wie Problemlösung im Team stattfinden kann und wie sie einen eigenen Beitrag für einen produktiven Prozess und eine positive Zusammenarbeit leisten können. Die zentralen Learnings sind, dass Change-Management in Zeiten des Wandels eine Daueraufgabe ist und dass die Einstellung der Menschen zum Umgang mit Veränderungen genauso entscheidend für den Unternehmenserfolg ist, wie die fachliche Expertise der Beschäftigten.

Des Weiteren macht der Impuls von Kara Clauß von der Initiative „Ohne Hände keine Wende“ deutlich, wie wichtig ein Bewusstsein von Unternehmen, Erwerbspersonen und der Politik dafür ist, dass heute für morgen qualifiziert werden muss und dass diese Erkenntnis an sich ein Future Skill ist. Die OHKW-Brancheninitiative setzt sich durch das Anwerben von Fachkräften für eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende ein. Neben einer Image-Kampagne zu den Perspektiven einer Karriere in der Branche, arbeitet OHKW daran Branchenstandards in der Qualifizierung zu etablieren und Schulungsinfrastruktur und Lerninhalten aufzubauen, damit mehr Beschäftigte mit Kompetenzen für die Energiewende ausgestattet und gewonnen werden können. In dem Zuge entwickeln sie u. a. Teilqualifikationen für die Energiewende.

Welche Strategien es insgesamt braucht, um Future Skills erfolgreich am Arbeitsmarkt zu verankern, wurde perspektivreich im World-Café diskutiert

In vier Sessions wurde daran gearbeitet Future Skills zu systematisieren, eine Vorteilsübersetzung für die Akteure zu formulieren, Bildungsakteure und Qualifizierungsformate zu identifizieren und notwendige finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen für die Vermittlung von Future Skills zu erfassen. Zu den gemeinsamen Erkenntnissen zählt, dass es keine einheitliche Definition von Future Skills gibt, aber viele Taxonomien und Daten, um sich der Identifizierung und Projektion von relevanter werdenden Kompetenzen zu nähern. Außerdem ging aus den Diskussionen hervor, dass Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen erkennen müssen, wie wichtig Future Skills und damit lebenslanges Lernen sind, um in der agilen Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts anschlussfähig zu bleiben. Damit einher geht die Erkenntnis, dass es neben formaler Qualifizierung mehr informelle Lernformate braucht, wie soziales Lernen im Unternehmen und Mentoring-Programme, um gerade transversale Kompetenzen vermitteln zu können. Für derartige Angebote benötigen Unternehmen wiederum Rückhalt von der Politik und Erwerbspersonen die Möglichkeit ihre informell erworbenen Kompetenzen zertifizieren zu lassen.

Das Feedback der Teilnehmenden zum Workshop war positiv. Vor allem die Vorträge und die interdisziplinäre Zusammensetzung der Teilnehmenden kamen gut an und haben in den Diskussionen für neue Denkanstöße gesorgt. Das Feedback bietet auch spannende Themenvorschläge für weitere Veranstaltungen und Studien zum Thema Future Skills.



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