Vom Geflüchteten zum Auszubildenden – der lange Weg von Guinea nach Deutschland

Sprache und Ausbildung bzw. Arbeit sind wesentliche Schlüssel zur Integration von Geflüchteten. Dementsprechend stimmen auch knapp drei Viertel der vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) befragten kleinen und mittelständischen Betriebe der Aussage zu, dass Ausbildung der beste Weg sei, um Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren.

Diese beiden Hürden hat Mamadou D. erfolgreich gemeistert. Er ist 19 Jahre alt, seit drei Jahren lebt er in Deutschland und seit einem Jahr absolviert er eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner.

Nachdem ich eher zufällig von Mamadous „Erfolgsgeschichte“ gehört hatte, habe ich einen Gesprächstermin mit ihm und seinem Ausbilder vereinbart, um etwas über die Rahmenbedingungen seiner Integration in Deutschland zu erfahren und darüber, warum sich der Betrieb engagiert. Im Gespräch zeigt sich, dass es für Mamadou aber genauso wichtig ist, etwas von sich, seiner Herkunft und seinem Leben zu erzählen, deshalb möchte ich hier auch von seiner persönlichen Geschichte berichten.

Der Beginn der Flucht

Dass Mamadou nach Deutschland kommt und eine duale Ausbildung absolviert, war zu Beginn seiner Fluchtgeschichte weder geplant noch abzusehen, denn eigentlich wollte er gar nicht nach Europa. „Ich wollte nach Angola“ erklärt der Jugendliche aus Guinea, der sein Heimatland verließ, weil es dort weitgehend unbemerkt von der westlichen Welt weder Sicherheit noch eine Perspektive für ihn gab.

Sein Vater so berichtet er, stirbt bei Rebellenangriffen als er drei Jahre alt ist, der Stiefvater schlägt die Familie, misshandelt und bedroht ihn. Irgendwann flieht die Mutter mit Mamadous Schwester und lässt ihn zurück – in ihrer Kultur gehört ein Sohn dem (Stief-)Vater.

Er ist 15 Jahre alt als er seinen Stiefvater und das Heimatland Guinea verlässt und über Mali nach Marokko flieht, – indem er beispielsweise LKW-Fahrern beim Be- und Entladen hilft und so mitreisen darf und manchmal auch etwas Geld verdient. Als Westafrikaner wird er jedoch auch hier diskriminiert.

Er entschließt sich zur Flucht nach Europa und nach mehreren Versuchen gelingt es ihm, mit einem Boot in die spanische Exklave Melilla auf nordafrikanischem Gebiet zu kommen. Dort wird er registriert und nach Spanien gebracht, wo er von Flüchtlingsorganisationen empfangen wird. Da es die spanischen Behörden den Flüchtlingen erlauben, weiter zu reisen wenn es Angehörige gibt, die eine Einladung aussprechen, werden von Schleppern „professionelle Angehörige“ vermittelt, mit deren Hilfe auch Mamadou den Weg nach Madrid antritt, da lediglich eine telefonische Nachfrage erfolgt

In Madrid angekommen ist der 15-Jährige, der nach eigenen Angaben 7 Jahre die Schule besucht und einen mittleren Schulabschluss hat, dann wieder völlig auf sich alleine gestellt, da er ja offiziell durch einen Angehörigen versorgt ist. Ohne Spanischkenntnisse und ohne finanzielle Unterstützung muss er im Freien übernachten, eine Perspektive sieht er nicht. Viele seiner Freunde, mit denen er via Handy kommuniziert, sind nach Deutschland oder Schweden geflohen; sie fordern ihn auf nachzukommen.

Ende der Flucht in Deutschland

Nachdem es Mamadou unbehelligt durch Frankreich und Belgien geschafft hat, wird der Bus Anfang Mai 2013 bei seiner Fahrt durch Deutschland kontrolliert. Mamadou versteckt sich auf der Toilette, hat Angst als die Polizei an die Tür klopft. 40 Minuten schließt er sich ein, dann gibt er auf und wird zur Polizeistation gebracht, wo er zum ersten Mal seine ganze Fluchtgeschichte erzählt. Unangenehm bleibt ihm in Erinnerung, dass er seine ganze Kleidung ausziehen muss und auf Waffen und Drogen untersucht wird.

Da er noch nicht volljährig ist, wird das Jugendamt eingeschaltet und ein Taxi bringt ihn in eine Aufnahmeeinrichtung, die auch Clearingstelle für minderjährige Geflüchtete ist. Aufgaben dieser Erstaufnahmeeinrichtungen sind neben der pädagogischen Betreuung der Kinder und Jugendlichen sowie der Abklärung der medizinischen und therapeutischen Bedarfe unter anderem auch die Einschätzung der Fluchtgründe, des Alters, der Sprachkenntnisse, der Schulbildung oder die Klärung einer möglichen Familienzusammenführung.

Schneller Einstieg in Spracherwerb und Berufsorientierung

Nach zwei Wochen beginnt Mamadou mit dem Sprachunterricht, nach drei Monaten kann er an ein Berufskolleg wechseln, hier lernt er neben Deutsch auch verschiedene Berufe, wie Maler oder Tischler kennen. Durch Zufall rutscht er in ein Praktikum in einem Betrieb, da ein anderer Schüler mit gleichem Namen kurzfristig erkrankt ist. Hier lernt er den Umgang mit einer Motorsäge und darf bei Aufbauarbeiten an einem Spielplatz mithelfen.

Als sein Vormund ihn im Mai 2014 anspricht, ob er Asyl beantragen wolle ist er erstaunt, da er davon ausgegangen ist, der Antrag sei längst gestellt, denn für Mamadou ist klar, dass er in Deutschland bleiben will: hier kann er zur Schule gehen und etwas lernen.

Mithilfe seiner Betreuer bewirbt er sich 2015 bei mehreren Betrieben für eine Ausbildungsstelle als Landschaftsgärtner – das Praktikum hat ihm Spaß gemacht. Einen Schulabschluss kann er dabei nicht nachweisen, Dokumente aus seiner Heimat hat er nicht und in Deutschland hat er keinen Schulabschluss machen können. Über seinen Asylantrag ist auch noch nicht entschieden, was ihn zusätzlich verunsichert, da andere Jugendliche bereits eine Aufenthaltserlaubnis vorweisen können.

Dennoch wird er von einem Unternehmen zum Vorstellungsgespräch und zu einem 2-wöchigen Probepraktikum eingeladen – eine Chance, die Mamadou zu ergreifen weiß. Er überzeugt durch sein Engagement und seinen Lernwillen und erhält den Ausbildungsplatz. Damit hat er die größte Hürde geschafft – den Einstieg in eine betriebliche Ausbildung. Mamadou weiß, dass damit während seiner Ausbildung auch ein sicherer Aufenthaltsstatus verbunden ist. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), eine Unterstützung zusätzlich zum Azubigehalt, erhält er dagegen erst seit August 2016, denn erst seit diesem Zeitpunkt ist die nötige Voraufenthaltsdauer für Asylbewerber auf fünfzehn Monate reduziert.

Obwohl Mamadou schnell lernt und die Sprache schon recht gut beherrscht – ganz ohne Unterstützung geht es in der Ausbildung für ihn nicht. So erhält er weiterhin Sprachförderung und ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) und manchmal auch den ein oder anderen Hinweis des Ausbilders zu allgemeinen Gepflogenheiten in Deutschland und der Arbeitswelt hier.

Und auch, wenn das Wetter und die Mentalität in Deutschland immer noch ungewohnt für Mamadou sind, zählt für ihn etwas anderes viel mehr: „Jeder hat hier seine eigene Chance, man muss sie nur nutzen“. Profitiert hat er dabei auch von dem raschen Einstieg in den Spracherwerb und von engmaschiger Betreuung und Unterstützung, die er als minderjähriger Geflüchteter erfahren hat.

Und was hat der Betrieb von diesem Engagement?

„In erster Linie einen ganz normalen und motivierten Auszubildenden“ erklärt mir der Ausbilder. Der Betrieb habe dem jungen Mann eine Chance geboten – genutzt habe der sie selber und er füge sich auch gut in den Betrieb ein. Dennoch zeigen sich manchmal natürlich auch kleinere Schwierigkeiten schon aufgrund der unterschiedlichen Sozialisation, wenn Mamadou beispielsweise einen Termin habe und selbstverständlich davon ausginge, dass ein Kollege ihn während der Arbeitszeit dorthin bringen könnte. Ernsthafte Probleme habe es deshalb aber bislang nicht gegeben, man spreche dann einfach miteinander.

Dass Mamadou ein Flüchtling sei, dem wolle der Betrieb keine besondere Bedeutung beimessen und ihm auch keinen Stempel aufdrücken, genauso, wie auch Jugendliche mit Behinderungen oder Schülerinnen und Schüler im Praktikum ihre Chance bekämen und ganz einfach in den Betrieb integriert würden. Das ist schließlich auch sein Tipp an andere Unternehmen, die überlegen, Geflüchtete als Auszubildende einzustellen: einfach machen!



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