Vom Heben der Schätze – Der schlagkräftig-konzentrierte Kompetenzcheck

von John Erpenbeck und Volker Heyse

Mit dem KODE® – Verfahren (KOmpetenzDiagnostik und –Entwicklung) wurde ein kurzer, gleichwohl valider Kompetenzcheck geschaffen, der nicht von irgendwelchen Persönlichkeitstests abgeleitet ist sondern Kompetenzen direkt als Fähigkeiten der Teilnehmer erfasst, selbstorganisiert und kreativ zu handeln. Es gibt bis heute kein vergleichbares Verfahren.[1]

Zielgruppe, Inhalte und Methodik

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Verfahrens war unter anderem die deutsche Umbruchsituation 1990/1991, bei der Millionen von Arbeitnehmern mit in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbaren Kennnissen, Qualifikationen und beruflichen Abschlüssen in die Arbeits- und Lebenswelt der Bundesrepublik schnellstmöglich integriert werden mussten. Eine Kampagne beruflicher Weiterbildung, die dies korrigieren sollte, erwies sich trotz großen materiellen Aufwands als weitgehend unwirksam. Eine vergleichbare Situation stellt die heutige Immigrationsproblematik dar. Es galt, ein initiales, einfaches, schnelles und valides Verfahren zur Kompetenzfeststellung und -entwicklung zu finden.

Dazu wurde das KODE® – Verfahren zunächst entwickelt. Es gibt bis heute kein Verfahren von gleicher Einfachheit, Schnelligkeit und Validität bei analoger Differenziertheit und Vielfalt der resultierenden, unmittelbar für die Einschätzung des Kompetenzpotenzials zu nutzenden Ergebnisse. Inzwischen ist das Verfahren für weitere Zielgruppen erschlossen worden, u.a. für den Bereich Schule (mit einer eigenen, dem Verständnis von Kindern und Jugendlichen angepassten Kompetenzerfassung), Universität, berufliche Bildung und betriebliche Potenzialanalyse sowie für die Ausarbeitung von Kompetenzmodellen von Unternehmen und Organisationen.

Das KODE®  – Verfahren misst mit Hilfe von Selbst- und Fremdeinschätzungsvorlagen die vier Grundkompetenzen – Personale Kompetenzen (P), Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (A), Fachlich-Methodische Kompetenzen (F), Sozial-Kommunikative Kompetenzen (S) – in drei Differenzierungsstufen. [2]

  • Zunächst gestattet es Aussagen zum Verhältnis der Grundkompetenzen P, A, F, S zueinander unter normalen Bedingungen (Normalvergleich). Welche dieser Kompetenzen sind bei einer Person stärker, welche schwächer ausgeprägt, welche bewegen sich auf mittlerem Niveau?
  • Die Kompetenzerfassung ist so angelegt, dass sie davon abgesetzt Aussagen zum Verhältnis der Grundkompetenzen P, A, F, S unter normalen und unter schwierigen Bedingungen erhebt (Kontextvergleich). Wo verändert sich der Einsatz dieser Kompetenzen unter schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen wie Problemsituationen, Belastungen, Stress? Welche Kompetenzen werden dann stärker, welche eher zurückgenommen eingesetzt?
  • Schließlich erlaubt diese Kompetenzerfassung für jede der Basiskompetenzen unter normalen wie unter schwierigen Bedingungen ein in Beziehung setzen des Verhältnisses von Handlungsideal, Handlungserwartung, Handlungsvollzug und Handlungsresultat (Performanzvergleich). Hat die Person ein hohes Handlungsideal, das auch wirksam wird – oder der Realität nicht standhält; geht sie mit großem Einsatz, mit hoher Handlungserwartung in eine Aufgabe, oder nimmt sie sich nicht allzu viel vor; tut sie alles um ihr Handlungsziel zu erreichen, oder ist der Handlungsvollzug als eher niedrig einzuschätzen; entspricht das Handlungsresultat den Erwartungen oder bleibt es hinter diesen zurück?

Eine Besonderheit ist der Bezug auf gesondert entwickelte berufsspezifische Kompetenzsollprofile und der Soll-Ist-Vergleich mit entsprechenden Kompetenzerfassungsvorlagen.

Methodisch liegt das Verfahren in einer paper-pencil Version und zwei online – Versionen vor. Der Erfassungsbogen, auf Satzergänzungen beruhend, die in eine Rangreihenfolge gebracht werden,  ist in 15 Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Griechisch, Hocharabisch, Italienisch, Kroatisch, Niederländisch, Paschtunisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Türkisch) einsetzbar. Eine detaillierte Beschreibung der Erfassung der vier Grundkompetenzen, der individuellen Kompetenzanalyse und der Bezugnahme auf berufliche Möglichkeiten stellt [3] ausführlich dar.

Dauer und Auswertung des Verfahrens

Das Ausfüllen des Kompetenzerfassungsbogens dauert in beiden Versionen etwa 15-20 Minuten für alle genannten Zielgruppen.

Die Interpretation wird durch lizensierte Trainer*innen vorgenommen. Die online-Version liefert in einem pdf – Dokument eine ausführliche Betrachtung zum Verfahren, eine Einschätzung der Ergebnisse, Trainingshinweise sowie einen Interpretationsschlüssel, der nicht flach vorgegeben sondern von der Person in Einzelpunkten selbst zu bestätigen ist. Die Trainingshinweise lassen sich substanziell erweitern. [4]

Reliabilität und Validität

Die Qualitätsanforderungen an das Verfahren sind in einem die Entwicklung und Weiterentwicklung begleitenden Prozess immer wieder auf den Prüfstand gestellt und in ihrer Erfüllung bestätigt worden. Eine gesonderte Schrift fasst dies zusammen.[5] Neben Objektivität, Reliabilität und Validität werden darin auch die Akzeptanz und die soziale Validität des Verfahrens sowie die Einschätzung seines Nutzens diskutiert. Es hat sich erwiesen, dass das Verfahren die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität, die an psychometrische Verfahren gestellt werden, umfassend erfüllt, obwohl KODE® erklärtermaßen kein psychometrisches Verfahren ist, da es bei dem normalerweise angestrebten Entwicklungsprozess die Metrik selbst verändert . Des Weiteren hat sich gezeigt, dass das KODE® – Verfahren von Unternehmen wie von Berater*innen und Trainer*innen gestellte Nutzensanforderungen in hohem Maße erfüllt. Damit kann es nicht nur als Messverfahren, sondern auch zur Unterstützung von Kompetenzentwicklungsprozessen eingesetzt werden. Ein Vergleich der Wirtschaftsuniversität Wien mit anderen national und international bekannten Verfahren stellte KODE®  mit Abstand auf den 1.Platz. [6]

Voraussetzung für die Anwendung

Um die Lizenz als KODE® – Trainer*in zu erwerben, ist eine intensive zweitägige Ausbildung mit nachfolgender Unterstützung im Netzwerk Voraussetzung. Das Training wird von eigens dafür ausgebildeten und lizensierten Supervisor*innen durchgeführt.

Anschlussfähigkeit an die Arbeitsmarktintegration

Das Verfahren ist voll anschlussfähig. Es wird zunehmend bei der Integration von Arbeitslosen sowie von Flüchtlingen und Migranten in den Arbeitsmarkt eingesetzt und wird im Rahmen von Recruiting, Rehabilitation, Personalentwicklung in der Breite, vor Auslandseinsätzen und bei der Entwicklung zeitweilig zusammengesetzter Teams verwendet.

Verbreitung und Resonanz

Es gibt rund 1100 lizensierte KODE®  – Trainer*innen und Berater*innen aus allen Bundesländern sowie Österreich, der Schweiz und Luxemburg. Die in fast allen Bundesländern existierenden Zentren für Kompetenzentwicklung (CeKom) haben ihrerseits für die Verbreitung und den Einsatz des Verfahrens mit gesorgt.

Das Verfahren wurde bisher in großen, mittleren und kleinen Unternehmen, etwa in Unternehmen der Mikroelektronik, in Banken und Versicherungen, in Handelsunternehmen, in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, in Beratungs- und Trainingsunternehmen, in Hochschulen, in Einrichtungen der Fort- und Weiterbildung und bei Arbeitsverwaltungen eingesetzt.  Dabei war die Resonanz durchgehend positiv.

Nächste Schritte

Mit den verschiedenen Sprachversionen wird eine weitere internationale Verbreitung von KODE®  ermöglicht. Als Verfahren zur Kompetenzfeststellung und -entwicklung wird es weiterhin für vielfältige Instrumente zur Kompetenzentwicklung, etwa für die Teamentwicklung sowie für Kinder und Jugendliche  genutzt.

Mögliche Rolle in einem nationalen System der Kompetenzanerkennung

Das Verfahren kann eine wichtige Rolle im System der Kompetenzanerkennung spielen. Es ist einerseits praktikabel, schnell, sicher und mit hoher Reliabilität und – auch sozialer – Validität einsetzbar. Es wird von den Personen, die es durchlaufen, ohne Vorbehalte akzeptiert und in den Ergebnissen durchweg persönlich bestätigt. Während Persönlichkeitstests in Unternehmen in der Regel von Arbeitnehmervertreter*innen abgelehnt werden, ist das beim KODE® nicht der Fall. Er  liefert belegte und vergleichbare quantitative Ergebnisse und ist damit deutlich geeignet, in einem nationalen System der Kompetenzanerkennung eingesetzt zu werden. Erprobt ist auch sein Einsatz im Verbund mit  qualitativen, eher verbalen Verfahren wie beispielsweise der EU-Kompetenzbiografie oder des  ProfiPASS, deren Anwendungsdauer dadurch deutlich verkürzt werden kann.

[1] Heyse, V. (2016): KODE® und KODE®X – Kompetenzen erkennen, um Kompetenzen zu entwickeln und zu bestärken. In: Erpenbeck, J., Sauter, W., Grote, S. (Hrg.) (3. vollständig überarbeitete Aufl. 2016): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart. S. 487-498

[2] Heyse, V. (2010): Verfahren zur Kompetenzermittlung und Kompetenzentwicklung. KODE®  im Praxistest. In: Heyse, V., Erpenbeck, J., Ortmann, S. (Hrg.): Grundstrukturen menschlicher Kompetenzen. Praxiserprobte Konzepte und Instrumente. Münster, New York, München, Berlin. S. 81

[3] ebenda, S. 55-S.120

[4] Heyse, V., Erpenbeck, J. (2. Aufl. 2009): Kompetenztraining. 64 Informations- und Trainingsprogramme. Stuttgart

[5] Heyse, V., Erpenbeck, J. (2014): Qualitätsanforderungen an KODE®. Regensburg, Berlin

[6] Heyse, V., Erpenbeck, J. (2010): Qualitätsanforderungen an KODE®  . In: Heyse, V., Erpenbeck, J., Ortmann, S. (Hrg.) a.a.O. S.42

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