Kompetenzmodelle als Basis für die Entwicklung von Teilqualifizierungen
Mit der nationalen Weiterbildungsstrategie und dem Qualifizierungschancengesetz gewinnt die Weiterbildung weiter an Aufwind. Insbesondere Teilqualifikationen sind ein praxistaugliches Instrument, Arbeitnehmende und Arbeitssuchende gezielt zu qualifizieren. Um bundesweit mehr Einheitlichkeit und Transparenz bei Teilqualifikationen sowohl für Lernende als auch für Arbeitgeber*innen zu schaffen, müssten jedoch Teilqualifizierungskonzepte trägerübergreifend abgestimmt werden. Darüber hinaus müssten sie einen klaren Bezug zu den Ordnungsmitteln in der Berufsbildung aufweisen und nach einem standardisierten Zuschnitt der einzelnen Module entwickelt sein.
Doch wie kann ein standardisierter Zuschnitt von Teilqualifikationen aussehen? Eine Antwort bieten die 30 Kompetenzmodelle, die wir im Rahmen der Testentwicklung von MYSKILLS zusammen mit rund 400 berufsfachlichen Expert*innen entwickelt haben. Die Modelle gliedern jeden Beruf in vier bis sieben betriebliche Einsatzfelder und bieten damit eine direkte Hilfestellung für die Entwicklung von Teilqualifizierungsmodulen – wie der Blogbeitrag MYSKILLS-Kompetenzmodelle nutzen um Teilqualifikationen zu entwickeln meines Kollegen Roman Wink detailliert beschreibt.
Um diesen standardisierten Ansatz mit klarem Bezug zu den Ordnungsmitteln auch für weitere Berufe zu öffnen, entwickeln wir derzeit in Zusammenarbeit mit Weiterbildungsträgern weitere Kompetenzmodelle. In Kooperation mit den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) haben wir aktuell sechs Kompetenzmodelle finalisiert, die auf unserer Projekt-Website Aufstieg durch Kompetenzen unter der Rubrik DOWNLOAD kostenfrei verfügbar sind und sich auf folgende Berufe beziehen:
- Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen
- Fachkraft für Lagerlogistik
- Fachkraft für Schutz und Sicherheit
- Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie
- Kaufmann/Kauffrau für Dialogmarketing
- Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce
Die Gliederung in einzelne betriebliche Einsatzfelder mit ihren dazugehörigen Arbeitsprozessen und relevanten Kompetenzen ermöglicht eine Entwicklung von Teilqualifizierungsmodulen, die keinem stringent vorgegebenen Modulablauf folgen müssen. Denn die Handlungsfelder bauen inhaltlich nicht aufeinander auf. Dadurch kann die Abfolge der Teilqualifizierungen auf die persönlichen Voraussetzungen und Bedarfe der Lernenden ausgerichtet werden, bzw. eine gezielte individuelle Auswahl der Module erfolgen. Beispielsweise gliedert sich der Beruf Fachkraft für Lagerlogistik in die folgenden sechs Handlungsfelder:
- Waren annehmen
- Fördermittel einsetzen
- Waren lagern
- Waren kommisionieren
- Waren versenden
- Waren beschaffen
Die Gliederung in Teilqualifizierungen nach betrieblichen Einsatzfeldern ermöglicht bereits bei einem erfolgreichen Abschluss einzelner Teilqualifikationen den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Je nach individueller Situation kann die Qualifizierung schrittweise geplant und durchgeführt werden. Über das Qualifizierungschancengesetz kann die Qualifizierung in Abstimmung mit dem Betrieb während einer Erwerbstätigkeit schrittweise weiter erfolgen – bei abschließender Externenprüfung sogar bis zum Berufsabschluss. Davon profitiert zum einen der Betrieb, der eine zusätzliche Fachkraft gewinnt und zum anderen bietet der Berufsabschluss Arbeitnehmenden eine Vergütung auf Fachkraft-Niveau und verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Der beschriebene Ansatz, um Teilqualifizierungen zu entwickeln, folgt auch der Forderung des gemeinsamen Positionspapiers der Bertelsmann Stiftung und der Böll Stiftung, das fünf zentrale Aspekte für die Weiterentwicklung und Umsetzung der nationalen Weiterbildungsstrategie enthält. Mehr dazu in der Blogreihe „Wie weit trägt die nationale Weiterbildungsstrategie?„ meines Kollegen Dr. Martin Noack. Ein wesentlicher Aspekt im Positionspapier in diesem Kontext ist Punkt IV: „Teilqualifikationen standardisieren und ausbauen“, in dem es darum geht, Teilqualifikationen trägerübergreifend zu vereinheitlichen und Module standardisiert zuzuschneiden. Denn aktuell führen die unterschiedlichen Zuschnitte der Bildungsträger zu mangelnder Anschlussfähigkeit und hoher Intransparenz: Einerseits treffen Lernende, die verschiedene Module einer Teilqualifizierungskette durchlaufen möchten, bei verschiedenen Bildungsträgern auf unterschiedliche Zuschnitte, was einen Wechsel des Bildungsträgers während der Qualifizierungsphase unmöglich macht. Anderseits wissen potenzielle Arbeitgeber*innen nicht, welche konkreten Kompetenzen Bewerber*innen mit einem bestimmten TQ-Zertifikat mitbringen. Dem schaffen standardisierte Teilqualifizierungen nach einem Zuschnitt von betrieblichen Einsatzfeldern Abhilfe.
Sechs Modelle sind nun online verfügbar – weitere Kompetenzmodelle folgen in den nächsten Wochen!
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