Berufsabschluss durch Weiterbildung – Studie zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung

Die berufliche Perspektive von einem Menschen ohne Berufsabschluss in Deutschland ist vor allem eines – nicht ausreichend! Geringqualifizierte haben ein niedrigeres Einkommen und sind häufiger arbeitslos als Menschen mit Berufsabschluss. Entwicklungen am Arbeitsmarkt, wie Globalisierung, Technologisierung und Dekarbonisierung, verstärken diese Lage. Berufliche Nachqualifizierung ist die Maxime, welche in diesem Kontext diskutiert wird. Geringqualifizierte sollen nachträglich, im Laufe ihres beruflichen Lebens, einen Berufsabschluss erwerben und ihre Ausgangssituation am Arbeitsmarkt verbessern. An dieser Stelle kommen abschlussorientierte Weiterbildung ins Spiel. Doch welche Effekte haben die Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung hinsichtlich der Beschäftigungsaufnahme? Und welche Einkommens- und Beschäftigungseffekte haben nachträglich erworbene Berufsabschlüsse? Diesen Fragen geht die neue Studie zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung. Basis dafür bilden Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie eine Sonderauswertung der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit.

 

Ein nachgeholter Berufsabschluss steigert das Einkommen

Wer mit über 25 Jahren einen Berufsabschluss erwirbt, erhöht nicht nur die eigene Jobchancen, sondern auch das Einkommen. Denn auch spätere Berufsabschlüsse wirken sich positiv auf die Erwerbsbiografie aus: Menschen mit nachgeholtem Berufsabschluss erhalten schon nach fünf Jahren durchschnittlich 600 Euro brutto pro Monat mehr als Ungelernte. Langfristig steigt der Gehaltsvorsprung auf ca. 850 Euro brutto pro Monat an. Ein zweiter Abschluss steigert das Einkommen noch weiter: Wer bereits eine Ausbildung absolviert hat und eine zweite daraufsattelt, darf jeden Monat mit 800 bis 1.000 Euro mehr rechnen.

Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei den Beschäftigungsquoten: Menschen, die mit über 25 Jahren keinen Abschluss haben, zeigen eine deutlich niedrigere Beschäftigungsquote als Menschen mit Berufsabschluss. Vor allem ab Mitte 40 weichen die Beschäftigungsquoten von Geringqualifizierten und Menschen, die ihren Berufsabschluss nachgeholt haben, immer stärker voneinander ab. Im Alter von 60 Jahren ist die Differenz zwischen Ungelernten und Menschen mit nachgeholtem Berufsabschluss mit rund zehn Prozent am höchsten (ca. 85 % zu ca. 75 %). Weiterbildung ist also eine (Bildungs-)Investition, sowohl aus individueller als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht! Das hat nicht nur Auswirkungen auf die spätere Rente, sondern auch auf die Wirtschaft – denn Aus- und Weiterbildung schützt vor Fachkräftemangel.

Teilqualifikationen – ein effizienter Weg zum Berufsabschluss

Vor allem abschlussorientierte Weiterbildungsangebote wie Teilqualifikationen erhöhen die Chancen auf eine Beschäftigung. Das zeigt die Untersuchung der Effekte von (abschlussorientierten) Maßnahmen, für die eine Sonderauswertungen der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit herangezogen wurden.

Zwischen 2010 und 2020 haben Arbeitsagenturen und Jobcenter 3,45 Millionen Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) gefördert. Davon zählten weniger als 20 Prozent zu den „abschlussbezogenen Maßnahmen“ wie Umschulungen oder Teilqualifizierungen. Vor allem die Zahl der jährlich durchgeführten Teilqualifizierungen ist von 2010 bis 2020 von 3.000 auf 15.000 gestiegen – sie hat sich also verfünffacht und ist damit die einzige wachsende Maßnahme unter den abschlussorientierten Weiterbildungen.

Teilqualifikationen erweisen sich als besonders erfolgreiches Weiterbildungsangebot: Zwölf Monate nach Abschluss einer TQ sind bereits 72 Prozent der Absolvent:innen in Beschäftigung. Im Gegensatz zu einer zweijährigen Umschulung dauert eine TQ je nach Berufsfeld zwei bis sechs Monate – TQs können schneller erworben werden, ein Berufseinstieg ist früher möglich und sie sind kostengünstiger. Die Ergebnisse der repräsentativen Arbeitgeberbefragung 2020 zeigen, dass die Mehrheit deutscher Betriebe darüber hinaus bereit ist, Menschen mit Teilqualifikationen einzustellen.

Um die Attraktivität von TQs zu erhöhen, sollten bundesweite Standards sicherstellen, dass die TQ-Module – bspw. bei Jobwechseln, Wechsel des Bildungsträgers oder Umzügen – anschlussfähig sind, sodass die Weiterbildungskette von Teilnehmer:innen nicht abreißt und sie sich Schritt für Schritt zum Berufsabschluss qualifizieren können. Auch finanzielle Anreize steigern die Motivation, weitere TQs anzuschließen. Der Erwerb von Teilqualifikationen kann durch die Übernahme von höherwertigen Tätigkeiten mit höheren Stundenlöhnen in Tarifverträgen honoriert und durch zusätzliche Erfolgsprämien durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter gefördert werden.



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