Web-Veranstaltung „Berufsabschluss durch Weiterbildung – Zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung“ – Rückblick 

Abschlussorientierte Weiterbildungsangebote sind ein wesentlicher Bestandteil, um die eigene Position am Arbeitsmarkt zu verbessern – dies geht aus der kürzlich veröffentlichten Studie zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung hervor, deren Ergebnisse am 28.04.2022 in einer Web-Veranstaltung vorgestellt und diskutiert wurden. Mehr als 125 Teilnehmer:innen aus Politik, Wirtschaft und der Erwachsenenbildung nahmen an der Veranstaltung teil.  

Mitautor der Studie, Prof. Dr. Timm Bönke (FU Berlin), führte in die Veranstaltung ein und ging in seinem Input zunächst auf den Stellenwert nachgeholter Berufsabschlüsse ein. Menschen, die mit über 25 Jahren einen Berufsabschluss nachholen, steigern sowohl ihren Verdienst als auch ihre Jobchancen: Mit einem durchschnittlichen Mehrverdienst von 600 Euro brutto im Monat nach fünf Jahren und langfristig etwa 850 Euro mehr, lohnt sich der Berufsabschluss für Ungelernte zunächst finanziell. Darüber hinaus zeigen die Beschäftigungsquoten, dass mit zunehmendem Alter die Kluft zwischen Ungelernten und Personen mit nachgeholtem Berufsabschluss immer größer wird. Ein nachgeholter Berufsabschluss wirkt sich auch hier positiv auf die Beschäftigungschancen aus. Tiefergehende Ergebnisse der Studie finden Sie in diesem Blogbeitrag

Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, eignen sich vor allem abschlussorientierte Weiterbildungsangebote wie Teilqualifikationen: Die zwei- bis sechsmonatigen Maßnahmen sind bei deutlich geringeren Kosten mit einer Eingliederungsquote von 72 Prozent ähnlich erfolgreich wie die kostenintensiveren, zweijährigen Umschulungen. Deshalb scheint es nur folgerichtig, so Prof. Bönke, dass Teilqualifikationen derzeit die einzig wachsende abschlussorientierte Maßnahmenart sind. 

Im Anschluss ordneten die Expert:innen Helga Berg (Bundesministerium für Bildung und Forschung), Sandra Fahrinkrug (Bundesagentur für Arbeit) und Prof. Dr. Eckart Severing (Universität Erlangen-Nürnberg) die Ergebnisse der Studie in die aktuelle Arbeitsmarkt- und Bildungsdebatte ein. Frau Berg betonte in ihrem Statement, dass aus Sicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung insbesondere die Standardisierung von Teilqualifikationen im Fokus stünde. Teilqualifikationen könnten sich in der Breite nur durchsetzen, wenn für jedes Berufsbild bundesweit einheitliche Standards für Teilqualifikationen gelten. Aus diesem Grund fördere das Ministerium zwei Projekte zur Standardisierung (ETAPP und Chancen nutzen) sowie ein weiteres beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB). Letzteres solle die unzureichende Datenbasis beim Thema Teilqualifikation u.a. mit einer Teilnehmer:innen Befragung stärken.  

Frau Fahrinkrug fokussierte in ihrem Kommentar insbesondere die arbeitsmarktliche Perspektive. In den letzten Jahren rückte durch das Qualifizierungschancen- und Arbeit-von-morgen-Gesetz verstärkt die Qualifizierung von Beschäftigten in den Fokus. Dadurch biete die Bundesagentur für Arbeit vielfältige, finanziell attraktive Möglichkeiten, damit Unternehmen ihre Beschäftigten rechtzeitig für veränderten Anforderungen vorbereiten könnten. Teilqualifikationen seien hierfür ein sehr gut geeignetes, flexibles Instrument, welches zunehmend an Beliebtheit gewinne. Dennoch haben auch andere Instrumente, wie bspw. die Umschulung, ihre Berechtigung, sodass es im Einzelfall eine individuelle Entscheidung sei, welches Qualifizierungsinstrument genutzt würde.  

Die letzte Einordnung übernahm Herr Prof. Severing, der sich bereits seit über 15 Jahren mit dem Thema Teilqualifikationen beschäftigt. Aus seiner Sicht seien Teilqualifikationen sehr wichtig, um zukünftige Fachkräfteengpässe zu schließen. Jedoch habe sich in den letzten 15 Jahren in diesem Bereich wenig geändert: Teilqualifikationen würden weiterhin durch den Widerstand einiger Stakeholder sowie der heterogenen Angebotslandschaft gebremst. Standardisierung sowie der politische Wille, dieser Qualifizierungsform einen höheren Stellenwert einzuräumen, seien ausschlaggebend für eine nachhaltige Etablierung. Zweifel äußerte er an der Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration nach nur einer Teilqualifikationen. Der schrittweise Erwerb eines Berufsabschlusses sollte stets im Blick behalten werden. 

In der abschließenden Diskussion hatten alle Teilnehmer:innen die Möglichkeit, Fragen und Rückmeldungen zu den Ergebnissen zu äußern. Verschiedene relevante Teilaspekte, wie die Praktikabilität von Teilqualifizierungen und eine mögliche Konkurrenz zum klassischen dualen Ausbildungssystem, wurden besprochen. Teilqualifizierungen seien angesichts eines sich stetig wandelnden Arbeitsmarktes eine realistische Möglichkeit, auch Geringqualifizierte flexibel und schnell weiterzubilden. Sie seien ein Mittel, um auf individueller Ebene die Möglichkeiten von Arbeitnehmer:innen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Auf gesellschaftlicher Ebene könne mit Teilqualifikationen auf den enormen Fachkräftebedarf reagiert werden. Als abschlussorientierte Maßnahme würden sie den altbekannten Berufsabschlüssen neue Attraktivität verschaffen und so eine Perspektive eröffnen, die berufliche Bildung an die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen des Strukturwandels anzupassen.  



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